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In der Skizze des historischen Rahmens der Geschlechterverhältnisse von Lehrenden und Studierenden an der mdw, möchte ich die Künste, auf die die Geschichte der mdw zurückgehen, vor allem Musik, aber auch Theater und Film, im kulturwissenschaftlichen Sinn als komplexes soziales Geschehen, als soziale Praxis und gegenderte Diskurse (vgl. McClary 1991 und Annegret Huber 2011) betrachten. Dass die Bereiche Musik*Theater*Tanz*Film keine herrschaftsfreien Räume sind, wird in der Geschichte der Geschlechterverhältnisse an der mdw zum Ausdruck kommen. Musik*Theater*Film werden in ihrer Funktion als „Repräsentationen kultureller Regelwerke“ (Hof 1995) sichtbar. D.h. in ihren Ausprägungen als Musik-, Theater- und Filmkulturen, die nicht zuletzt geschlechtlich distinktiv sind und über ihre jeweils eigenen Zuordnungs- und Abgrenzungs-, Einschluss- und Ausschlussmechanismen verfügen, die zur Repräsentation ebenso dienen wie zur Produktion. Soweit es möglich ist, möchte dieser Blick auf die Vergangenheit anregen, die historischen Spielräume von Gender Performances (vgl. Ellmeier/ Ingrisch/ Walkensteiner-Preschl 2011) wahrzunehmen, um einen Eindruck davon zu bekommen, welche Hand in Hand gehenden Strukturen und Kulturen, welche geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze bzw. welche Formen von Habitus die Handlungsräume gestalteten, in denen sich diese Frauen und Männer, Künstlerinnen und Künstler beweg|t|en.
Auch wenn ich von Frauen und Männern, Mädchen und Burschen spreche, und damit augenscheinlich Gender im Beschreiben von Ungleichverteilungen zunächst als Stratifikations- bzw. Strukturkategorie verwende, möchte ich durch den Hinweis auf die performative Vielfalt und intersektionale bzw. interdependente Dispositionen den Blick für das Spektrum des Gender-Kontinuums und ihre jeweiligen historischen Ausformungen, d.h. für Gender als Prozesskategorie, trotz in diesem Bereich schwieriger Quellenlage, im Auge zu behalten versuchen.
Der folgende kurze Überblick versteht sich als ein erster Aufriss zu dieser Thematik und als Anregung, weiter zu forschen, aus anderen Blickwinkeln zu ergänzen, zu vertiefen und Fragestellungen weiterzuführen. (Diese Arbeit entstand im Rahmen eines UniVisionProjekts der mdw 2009-2010)
Die mdw, eine der größten Musiklehranstalten Europas und eine der ältesten im deutschsprachigen Raum, blickt auf ihre Gründung im Jahr 1817 mit 24 Schüler_innen, 12 Knaben und 12 Mädchen (Tittel 1967, 14) unter der Leitung von Antonio Salieri zurück. Die heutige Universität steht damit in einer Gründungstradition, die mit einer Schule begann, in der beide Geschlechter zu gleichen Teilen vertreten waren, in der bald auch eine weibliche Lehrende tätig war und die seit 1864/65 bereits mehr Schülerinnen und Studentinnen als Schüler und Studenten hatte. Erst im 20. Jahrhundert wurde diese Tendenz für einige Zeit unterbrochen, um danach ausgewogen zu sein und schließlich ab dem Ende des Jahrhunderts und zu Beginn des 21. Jahrhunderts wieder mehr Studentinnen als Studenten aufzuweisen. Dies ist für eine Universität ein interessanter Aspekt, da Frauen sich zu den meisten der (höheren) Bildungsinstitutionen erst den Zugang erkämpfen mussten. (vgl. Ingrisch 2016) Um die Entwicklung in der Singschule entsprechend einordnen zu können: Obgleich seit der im Jahre 1774, also in der Zeit Maria Theresias ins Leben gerufenen sechsjährigen Schulpflicht für Knaben und Mädchen, wurden Schülerinnen immer nach anderem Maß gemessen. Selbst das Reichsvolksschulgesetz von 1869, in dem die achtjährige Unterrichtspflicht festgehalten wurde, sah unterschiedliche Lehrpläne für Mädchen und Knaben vor. (vgl. Simon 1997, 178-188) Erst ab den 1870er, 1880er Jahren eröffneten sich mittlere und höhere Schulen wie die Schule des Wiener Frauenerwerbvereins oder das Mädchenlyzeum in Graz. Schulen, die Abschlusszeugnisse boten, welche den Zugang zur Universität ermöglichten, sind erst mit dem Jahr 1892 festzustellen. (vgl. Simon 1993)
„Mit der Ausarbeitung eines Konservatoriumsentwurfes wurde ein eigenes Komitee betraut, dem unter anderem auch Salieri angehörte und das am 28. März 1813 beschloss, in dem zu gründenden Konservatorium österreichische Zöglinge beiderlei Geschlechts auf vokalem, instrumentalem und kompositorischem Gebiet unentgeltlich (dies war auch bis 1829 der Fall) auszubilden.“ (Jahresbericht des Wiener Konservatoriums der Musikfreunde 1860/61, 11) Zu diesem Zwecke wurde ein Gebäude erworben, das als Schule ebenso dienen konnte wie als Konzertinstitut. Die Förderung des Musiklebens und die Nachwuchsbildung sollten dabei Hand in Hand gehen und stellten die ersten beiden Säulen des Konzepts dar. Die Dokumentation der Tätigkeiten, – Archiv, Bibliothek und Sammlungen beinhalten heute eine der weltweit fünf größten Musiksammlungen der Welt – bildete die dritte Säule der 1812 gegründeten Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates, der heutigen Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Initiator_innen waren die Salonière Fanny Freifrau von Arnstein, der Librettist, Theaterleiter und Archivar Josef Sonnleithner, Ignaz von Sonnleithner, Professor für Handels- und Wechselrecht an der Universität Wien, Ignaz Franz von Mosel, Komponist, Musikschriftsteller sowie Vizedirektor der beiden Hoftheater und Fürst Joseph Franz Lobkowitz, Musikmäzen und Förderer Beethovens. Erzherzog Rudolf fungierte als Protektor.
Doch noch einmal zurück zu den Anfängen. „Die erste Anregung zur Gründung eines Musikvereins gab ein Wohltätigkeitsconcert, welches am 16. April 1812 von Professor A. Streicher in seinem neu erbauten Saale gegeben wurde,“ (Jahresberichte 1868-69, 1) so die Einleitung zu einem Artikel zur Gründung und Entwicklung der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und ihres Konservatoriums. In einem früheren Jahresbericht wird unter dem Titel „Zur Chronik des Konservatoriums“ auch noch die 1811 gegründete Gesellschaft adeliger Frauen zur Beförderung des Guten und Nützlichen (Franzl 1836) genannt und die Rolle Fanny von Arnsteins als Initiatorin dieses Konzerts hervorgehoben. (Jahresbericht des Wiener Konservatoriums der Musikfreunde 1860/61, 4)
Die Singschule wurde nach dem Vorbild des 1795 ins Leben gerufenen Conservatoire de Paris sowie des 1811 gegründeten Konservatoriums in Prag gestaltet und galt als erste öffentliche Musikschule Wiens. (Pohl 1871, vgl. auch Hennenberg 2013) In einem 1815 vorgelegten Konzeptpapier des Staatsbeamten, Komponisten und Musikschriftstellers Ignaz von Mosel sollte ein Professor für Musiktheorie als Direktor und Leiter der Schule fungieren, an der neben Gesang auch die Fächer Pianoforte, Orgel, Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass, Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Waldhorn, Trompete und Posaune angeboten würden. Zudem waren Französisch und Italienisch, Deklamation, Ästhetik, Mythologie und Tanz als weitere Fächer vorgesehen. Die Zöglinge, wie sie im Jargon der Zeit bezeichnet wurden, konnten ab einem Alter von 10 Jahren aufgenommen werden und sollten das Ausmaß von 100 Personen nicht überschreiten. Da die finanzielle Situation die Realisierung dieser Pläne vorerst jedoch nicht erlaubte, wurde zunächst eine reduzierte Variante realisiert. Die Singschule begann ihr Dasein im Haus „Zum Roten Apfel“ Nr. 932, heute Singerstraße 3 im 1. Bezirk in Wien. Als Gesangslehrer fungierten der Hofkapellsänger Phillip Korner und Josef Frühwald, der Singmeister der Wiener Sängerknaben. Bei einem Gesellschaftskonzert im Jahr 1818 wirkten die Schüler_innen, der Intention der Gründung entsprechend, bereits mit. Als sich zwei Jahre später die Schüler_innenzahl auf mehr als das Doppelte erhöht hatte, wurde eine weitere Lehrkraft für Gesang, Anna Fröhlich, hinzugezogen.
Im Jahr 1819 wurde erstmals auch Instrumentalunterricht erteilt. Ein junger Violinvirtuose, Josef Böhm, übernahm diesen Zweig der Ausbildung und begründete im Laufe seines Wirkens die Wiener Geigenschule. Die verbesserte finanzielle Situation der Schule erlaubte es nun, sukzessive neue Klassen einzurichten: 1818 Italienisch, 1820 Violoncello, Generalbass und Musiktheorie, 1821 Oboe, Flöte, Klarinette, Fagott und Horn, denn Bläser waren gesucht. 1827 folgte Trompete, 1831 Kontrabass und Posaune. Der Ausbau hin zu einem Konservatorium war damit voll in Gange. Bezeichnenderweise waren Mädchen in dieser Zeit nur in den Gesangsklassen zugelassen, hier jedoch in gleichem Ausmaß wie die Jungen. (Tittel 1967, 27) Parallel zu dieser Ausbildung, die immer mehr als musikalische Berufsschule zu betrachten war, musste jedoch auch eine allgemein bildende Schule besucht werden.
Die Revolution von 1848 – bezeichnenderweise auch das Jahr, in dem das Unterrichtsministerium und damit die staatliche Kunstverwaltung institutionalisiert wurden – bewirkte zunächst einmal die Schließung des Konservatoriums. (vgl. Wisoko-Meytsky 1948, 321-332) Wiedereröffnet wurde es unter Josef Hellmesberger im Jahr 1851. Mit Musik | Tanz Schauspiel war das Profil der Lehranstalt neu gestaltet worden, aufbauend auf der 1836 gegründeten Klasse für „plastisch-körperlichen Anstand“ unter der Leitung Franz Reiberger, Mimiker und Tänzer, der die Abteilung Tanz gewissermaßen begründete. Die Klasse für Deklamation unter Heinrich Anschütz, einem renommierten Hofschauspieler, bereitete dem Schauspielstudium die Basis. Eine Opernklasse, für die neben Ferdinand Stegmayer auch Anna Fröhlich zuständig war, setzte, 1853 eingerichtet, den Beginn der Opernschule. Sie unterrichtete noch ein Jahr lang und hatte insgesamt 35 Jahre gelehrt, als sie im Jahr 1854 das Konservatorium verließ.
Schülerinnen und LehrendeWas die Schüler_innen betrifft, so kann die Entwicklung der Zahlen für die Zeit von 1840-1870 aufgrund der in den Jahresberichten des Konservatoriums vermerkten Angaben folgendermaßen dargestellt werden. Für die Zeit davor besteht der Hinweis, dass von insgesamt 160 Schüler_innen, für die geplant wurde, 30 weiblich sein sollten und diese ausschließlich Gesangsklassen besuchen würden. (vgl. Tittel 1967, 27 Für die Zeit vor 1840 erlaubt die Quellenlage derzeit leider keine entsprechende Auflistung)
Grafik: Entwicklung der Schülerinnen- und Schüler-Zahlen des Konservatoriums für Musik und darstellende Kunst 1840-1870 (Datenerhebung: Erwin Strouhal, Archiv der mdw). Die Balken sind gestapelt angeordnet, damit für ein Studienjahr die Gesamtanzahl der Studierenden durch Addierung von Frauen- und Männerzahlen erschlossen werden kann.
Bezeichnend für diese Periode ist, dass ab dem Studienjahr 1864/65 die Zahl der Schülerinnen die der Schüler bereits zu übertreffen begann.
Aus einer Aufstellung der Absolvent_innen der Musikakademie der Jahre 1817-1847 bzw. 1851-1870 geht hervor, dass 1817-1847 Frauen vor allem Gesang als Hauptfach abschlossen, in den weiteren Jahren aber zusätzlich Klavier im Hauptfach bzw. Harmonielehre im Nebenfach dazukam. (vgl. Pohl 1871, 144-159 und 159-183, vgl. auch Heller 2001, 47-64) Die ersten beiden Studentinnen im Fach Violine sind im Studienjahr 1864/65 zu verzeichnen. (Heller 2005, 205-228)
In diesem Kontext ist es interessant sich zu vergegenwärtigen, dass das Kunststudium für Frauen bis zum Jahr 1870 in Wien unter Zuhilfenahme des Arguments, dass ihre Natur ihnen nur einige Zweige des Kunstgewerbes erlaube, nicht möglich war. Die staatliche Kunstgewerbeschule – Vorläuferin der Universität für angewandte Kunst – wurde 1868 gegründet und die Kunstschule für Frauen und Mädchen 1897 ins Leben gerufen. (vgl. Doser 1988) Eine künstlerische Ausbildung war ihnen bis dahin nur in privaten Ateliers zugänglich. Erst 1920 wurden Frauen zum Studium an der Akademie der bildenden Künste zugelassen, obwohl diese bereits 1692 gegründet worden war. Die Zahl der Studentinnen war dann jedoch rasch von 5% im Wintersemester 1920/1921 auf ca. 25% im Wintersemester 1939/1940 gestiegen. (Krapf, sowie Seiger/ Lunardi/ Populorum (Hg.) 1990 sowie Guth/ Samsonow 1999, 313-326)
Auf der Seite der Lehrerinnen aus der Zeit der Anfänge bis 1870 wissen wir mitunter etwas mehr als von den Schülerinnen, im geringsten Fall zumindest den Namen und die Zeiten, zu denen sie an der Schule bzw. dem Konservatorium tätig waren. Hier ein erster Versuch, ihre Namen der Erinnerungskultur hinzuzufügen und soweit möglich, sie in ersten Portraitskizzen vorzustellen – chronologisch nach ihrem Eintritt in die Institution. Die Jahreszahlen in Klammer geben den Zeitraum ihrer Lehrtätigkeit an. (Als Basis der Portraitskizzen diente eine dankenswerterweise zur Verfügung gestellte umfassende Zusammenstellung des Archivs der mdw zu den an der Institution lehrenden Frauen von Erwin Strouhal und Lynne Heller, die durch eigene Recherchen ergänzt wurden.):
Erste weibliche LehrendeAnna Fröhlich hatte bis 1854 als einzige Frau am Konservatorium unterrichtet. In dieser ersten Periode sind weibliche Lehrende ausschließlich im Bereich des Gesangs, die am Konservatorium lehrten. Aus den bei Ernst Tittel genannten Angaben zum Lehrerkollegium haben wir einen Hinweis darauf, dass Anna Fröhlich für den Gesang für Mädchen zuständig war, diese aber auch von männlichen Lehrern unterrichtet wurden. Im Jahr 1820 finden wir von insgesamt 12 Lehrenden eine Frau bei einer Schüler_innenanzahl von insgesamt 132. (Tittel 1967, 82) Um sich ein ungefähres Bild von der Relation zu den männlichen Lehrenden in den weiteren Jahren machen zu können – Ernst Tittel nennt für das Jahr 1840 insgesamt 18 sowie für das Jahr 1851 16 Lehrende. (Tittel 1967, 82) Zu den Lehrerinnen dieser Periode zählten Mathilde Marchesi de Castrone (1854-1878), Maria Andriessen von Lingke (1860-1862), Adele Köhler, verheiratete Passy-Cornet (1862-1871), Therese Marschner (1862-1867) und Anna Bochkoltz-Falconi (auch: Bockholtz-Falconi) (1865-1867).
Im Jahr 1870 sind bei einer Gesamtanzahl von 445 Schüler_innen, (vgl. Jahresbericht für 1870/71) wobei die weiblichen bereits mehr ausmachten als die männlichen, von 33 Lehrenden 3 Frauen zu verzeichnen.
Möglicherweise wurde hier eine Entwicklung vorweggenommen, die später in der bürgerlichen Mädchenerziehung einem verstärkt genderdistinktiven Impetus unterliegen sollte. Solange wir jedoch nicht detaillierter über die weiteren Werdegänge der Schülerinnen Bescheid wissen, bleiben viele Fragen offen, wie z.B. wo diese ausgebildeten Mädchen ein Wirkungsfeld fanden, wie sehr sich dieses in weiterer Folge auf den privaten Bereich beschränkte oder welches emanzipatorische Potential eine solche Ausbildung freisetzte und wie sie in den einzelnen Biografien umgesetzt werden konnte. Mögen einzelne herausragende Biografien uns solche Wege zeigen, wie das bei den Schülerinnen der Fall ist, die später selbst als Lehrerinnen und Professorinnen aktiv werden konnten, so ist dies sicher nicht die Regel gewesen.
In der Geschichtsschreibung der mdw wird die Zeit von 1870 bis 1909 als goldene Ära bezeichnet. Der Beginn dieser Periodisierung wurde mit der Eröffnung des neu erbauten Wiener Musikvereins gesetzt, in dem auch das Konservatorium untergebracht war. In diese Zeit fällt die Vorbereitung in Richtung Hochschulrang sowie die Einführung von Meisterschulen, die um 1900 begann. Emil von Sauers Meisterklasse für Klavier ist hier als eine zu nennen (vgl. Scholz-Michelitsch 1998, 175-238), aus der drei Schülerinnen selbst wieder zu Lehrenden an der Akademie avancierten, nämlich Hedwig von Andrasffy, Angelica Sauer-Morales und Stella Wang.
„Musiklehrerkurse“, die ab 1870 angeregt, ab 1896 in einem Statut verankert wurden, verbürgten nunmehr staatlich geprüfte Musiklehrer_innen, deren Geschichte in Österreich unter dem Genderaspekt nachzuzeichnen ist jedoch noch als Desiderat auszuweisen. (vgl. Bailer 2010, 35-58) Bezeichnenderweise betonte Ernst Tittel, dass gerade die Ausbildung zur_m Musiklehrer_in und die daraus entstehende Beziehung zum Unterrichtsministerium der Verstaatlichung der Institution entgegenkamen. Da der Abschluss staatsgültige Zeugnisse für das Lehramt Musik vorsah und damit der große Bedarf an Musiklehrer_innen – im Bereich von Privatmusikschulen ebenso wie an Höheren Schulen und Lehrerbildungsanstalten – zu decken war, hatte dieser Bereich dem Unterrichtsministerium zu unterliegen. Die Bemühungen um die Verankerung entsprechender Strukturen bewegten sich im Spannungsfeld von entsprechender Finanzierung, die nur durch das Ministerium zu garantieren war und der Wahrung größtmöglicher Entscheidungsmächtigkeit des Konservatoriums. (Heller 1997, 1-58) Je mehr sich dieser Bereich ausweitete, umso unabdingbarer wurde die Übernahme in den Verantwortungsbereich des Staates. Ab Beginn des Jahres 1909 war aus dem privaten Konservatorium die k.k. Akademie für Musik und darstellende Kunst geworden.
Während es heute selbstverständlich erscheint, dass auch Frauen Musikanalyse, Musikgeschichte und Musiktheorie unterrichten und eigene musiktheoretische Überlegungen entwickeln, wie es die derzeitigen Professorinnen in diesem Bereich an der mdw – Marie-Agnes Dittrich, Annegret Huber, Anita Mayer-Hirzberger, Cornelia Szabó-Knotik und Melanie Unseld – tun, ist in den ersten 150 Jahren, in denen immerhin 52 Musiktheoretiker gezählt werden können, noch keine Frau zu verzeichnen. Dies spricht eine eigene Sprache in Bezug auf die androzentrischen Aspekte, die in diesen Theorien ihren Ausdruck fanden. Bereits vor der Verstaatlichung hatte sich der Theorieunterricht zu einem ausdifferenzierten System hin entwickelt, in dem Aspekte der Harmonielehre und des Kontrapunkts, der Akustik und Instrumentenkunde, der Musikgeschichte, Musikästhetik und Musikpsychologie vertreten waren. Über den Schwerpunkt der Musiktheorie bestanden auch Kontakte zur Universität Wien und dem dortigen musikwissenschaftlichen Institut, das im Jahr 1898 von Guido Adler gegründet wurde. Er war von 1869-1874 Schüler des Konservatoriums gewesen und gilt als Begründer der Wiener Musikwissenschaft. Diese Konstellation, dass Schüler_innen der Akademie auch ein (musikwissenschaftliches) Studium an der Universität Wien absolvieren konnten, etablierte sich in der Folge. Der Ausbau der Musikgeschichte zu „einem Seminar für Musikwissenschaft seit Eduard Hanslik und Guido Adler und dem ‚Lektor für Harmonielehre und Contrapunkt’ Anton Bruckner an der Universität Wien“ entsprach dann auch den Vorstellungen einer besonderen „Verknüpfung von Wissenschaft und Kunst auf dem Gebiet der Musik“, (Wisoko-Meytsky 1948, 325) die auch – wenn auch unter anderen Vorzeichen – in Fragestellungen zur Beziehung von Wissenschaft an einer Kunstuniversität und den Hierarchisierungen sowie Begegnungen von Kunst und Wissenschaft die aktuellen Diskurse bewegen. (vgl. Ingrisch 2012)
Die Jahre 1870-1909 zeigen auf Seiten der Schüler_innen folgende Zahlen:
Grafik: Entwicklung der Schülerinnen- und Schüler-Zahlen des Konservatoriums für Musik und darstellende Kunst 1870-1909 (Datenerhebung: Erwin Strouhal, Archiv der mdw). Die Balken sind gestapelt angeordnet, damit für ein Studienjahr die Gesamtanzahl der Studierenden durch Addierung von Frauen- und Männerzahlen erschlossen werden kann.
Um 1900 konnten Studentinnen als Hauptfach die Klassen Sologesang, Klavier, Harfe, Harmonielehre, Kontrapunkt, Komposition, mündlicher Vortrag und dramatische Darstellung belegen. Ab 1909 erfolgte eine Erweiterung für alle Streich- und Blasinstrumente. Orgelunterricht, der in der Kirchenmusikabteilung stattfand, wurde für Frauen ab dem Studienjahr 1916/17 zugänglich.
Weibliche Lehrende ab 1870
Auch auf Seiten der lehrenden Frauen erweiterte sich, obgleich der Fokus nach wie vor auf dem Gesang lag, das Spektrum. Zu den Lehrenden in dieser Periode zählen Anna Pessiak-Schmerling (1870-1882), Rosa Czillag (1875-1881), Luise Dustmann-Meyer (1878-1893), Sophie Wlcek (1881-1894),Selma Nicklass-Kempler (1885 bis 1894), Rosa von Andrasffy-Erl (1886-1915), Irene Schlemmer-Ambros (1892-1925), Rosa Papier-Paumgartner (1893-1930), Aurelia Jäger-Wlcek (1894-1903, wobei sich bislang nicht eindeutig klären ließ, ob es sich nicht um Sophie Wlcek handelt), Helene Storch-Zellner (hier liegen widersprüchliche Jahreszahlen vor 1882-1890 bzw. Personalakt 1898-1924, im Archiv bis 1927 aufgelistet), Theresa Zamara, die erste Harfenistin (1898-1919), Marie Seyff-Katzmayr (1904-1933), Kamilla Witz-Norwill (1905-1922), Friederike Singer (1908-1918).
Um 1900 wissen wir von 7 weiblichen Lehrenden von insgesamt 61 Lehrpersonen. Zum ersten Mal unterrichten sie außer Gesang auch andere Fächer wie Korrepetition und Deklamation, aber auch die ersten Instrumentalistinnen im Bereich der Harfe und des Klaviers sind nun zu verzeichnen.
Bezeichnend für die Lehrerinnen/ Professorinnen des 19. Jahrhunderts bzw. zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist, soweit wir das bisher ihren Biografien entnehmen können, die Bedeutung des familiären und damit des sozialen Hintergrundes. Hier zeigt sich, in welchem Ausmaß familiäre Genealogien im Bereich der Kunst dazu führten, Mädchen bzw. jungen Frauen künstlerische Tätigkeit nahe zu bringen und sie darin zu fördern. Wenn die Mutter bereits Sängerin war und die Tochter früh zu fördern begann oder auch der Vater sich nicht scheute seine Kenntnisse an die Tochter weiterzugeben, eröffnete das für Mädchen, wie es auch in den Wissenschaften dokumentiert ist, besondere Nischen. (vgl. Schiebinger 1993) So wird der Zugang von Mädchen und Frauen zu diesem Bereich als soziales Phänomen beschreibbar. Wie sehr dies in vielerlei Hinsicht mit bürgerlichen Wert- bzw. Geschlechtervorstellungen verknüpft war, ist besonders in den Ausführungen zur Rolle von Musik in der Mädchenerziehung nachvollziehbar, die bürgerlichen Frauen Musikausübung im Rahmen der Gefälligkeit und des Dilletantismus vorschrieb. (vgl. Szabó-Knotik 2010, 17-34) Obgleich das Talent als höchste Priorität des Zugangs auf den ersten Blick das Geschlecht vermeintlich obsolet werden lässt, ist Gender in die Diskurse über Kunst, welche ihrerseits die Handlungsräume gestalteten, grundlegend eingeschrieben. Wie auch das Beispiel von Ethel Smyth, einer britischen, Ende des 19. Jahrhunderts bis 1944 aktiven Komponistin und Schriftstellerin, zeigt, scheuten sich adelige Frauen, deren soziale Verortetheit ihnen privilegierte Wege eröffnete und Souveränität verlieh, mitunter nicht, die Grenzen die Geschlechterkonventionen zu überschreiten.
Am 1. Jänner 1909 war aus dem Konservatorium die k.k. Akademie für Musik und darstellende Kunst geworden. Die Institution trat durch die Verstaatlichung in eine neue Phase ein. Wesentliches Novum war der Hochschulrang und damit u.a. die Gleichstellung mit den Bildenden Künsten. (vgl. Tittel 1967, 51) Auch neue Räumlichkeiten wurden ab 1914 im Akademiegebäude neben dem Wiener Konzerthaus bezogen. Neue Abteilungen wie z.B. jene für Kirchenmusik oder rhythmische Gymnastik wurden gegründet, bestehende Klassen ausgebaut. Auch die Schauspielausbildung erfuhr eine Differenzierung. 1929 wurde das Schauspiel- und Regieseminar unter Max Reinhardt (Roessler/ Gföller (Hg.) 2005 sowie Roessler 2009, 81-89) gegründet und im selben Jahr das Musikpädagogische Seminar installiert.
In den Jahren 1909-38 erhielt die Verteilung der Schüler_innen nach Geschlechtern folgendes Profil:
Grafik: Entwicklung der Studierendenzahlen der k.k. Akademie für Musik und darstellende Kunst 1909/10-1937/38 (Datenerhebung: Erwin Strouhal, Archiv der mdw). Für die Studienjahre 1928/29, 1929/30 und 1931/32, 1932/33 können keine Angaben aufgrund fehlender Jahresberichte gemacht werden. Die Balken sind gestapelt angeordnet, damit für ein Studienjahr die Gesamtanzahl der Studierenden durch Addierung von Frauen- und Männerzahlen erschlossen werden kann.
Festzuhalten ist dazu, dass der bereits Mitte der 1860er Jahren einsetzende Trend von mehr Studentinnen als Studenten sich auch – obgleich hier die Quellenlage lückenhafter ist – in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren fortsetzte.
Für diesen Zeitraum werden zunächst nur diejenigen Lehrerinnen bzw. Professorinnen vorgestellt, die noch vor dem Einmarsch des NS-Regimes im März 1938 die Akademie wieder verließen, d.h. deren Karrieren an der Akademie, soweit wir es nachvollziehen können, noch nicht dem Einfluss des NS-Regimes ausgesetzt waren. Die Werdegänge der Frauen, die dadurch eine besondere Wendung erhielten, dass sie verfolgt wurden, wie diejenigen, deren Biographien von Kontinuitäten geprägt waren, werden, um die Zäsur deutlich zu machen, ausführlicher in einem eigenen Artikel (frauen* an der mdw 1938-1945) beschrieben.
Den Beginn der nun bis 1938 aufgenommenen weiblichen Lehrenden machte im Jahr 1909 Amalie Friedrich-Materna (1909-1911). Ihr folgten Sophie Necker (1915-1919), Ella Gabriele Arnau (1915?-1919), Helene von Bartolich-Siebenlist (1915?-1917).
n den Jahren 1918/1919 wurden gleich acht Lehrerinnen in der Akademie aufgenommen. Das Ende des Ersten Weltkriegs stellt damit im Bereich der Kunstakademien für Frauen einen gewissen Aufbruch dar, wie er sich auch im Wahlrecht für Frauen oder der Zulassung zur Juridischen Fakultät der Universität Wien widerspiegelte. (vgl. Ute Frevert 1986) Bezeichnenderweise sind die konkreten Werdegänge dieser Frauen jedoch recht unterschiedlich und geben damit einen ersten Einblick in die Vielfalt von Biografien im Bereich der Musikakademien in dieser Zeit – Karola Stuhlmüller (1918-1932), Sofie Kierner-Penker (1919/20-1923), Marianne Wolf (1919-1930/31?), Leona Hohlbaum-Gall (1918-1831), Stella Wang (1918-Februar 1934 und 1945-1960), Stefanie Goldner (1919-1920), Hilde Müller von Elblein (1919-1934), Hermine Geyer (1919-1931), Paula Herz-Leitgeb (1920-1932), Maria Rosanelli (1921/22-1931), Karoline Albert (1923-1924), Ida Lanser-Vestenstein (1923-1931), Gertrude Foerstel-Links (1926-1927(29), Margarete Wilt-Plankensteiner (1927-1930), Margaretha Streicher, (1929-1931) Berta Kiurina (1931-1933).
Von insgesamt 96 Lehrkräften, die im Studienjahr 1918/19 lehrten, waren 16 weiblich, (Jahresbericht der Staatsakademie für Musik 1918/19, vgl. auch Preis 2009, 36, die einen Frauenanteil von 16,7% errechnete) knapp 20 Jahre später, im Jahr 1937, sind von allen 90 an der Akademie Lehrenden 19 lehrende Frauen zu verzeichnen. (Tittel 1967, 82) Von den Fächern her ist vor allem durch den Tanz, in dessen Bereich gleich fünf Lehrende vertreten sind, eine weitere Auffächerung zu bemerken. Vier finden sich im Bereich des Klaviers und der Tasteninstrumente, drei lehren im Bereich Sprechen und Schauspiel. Und unter den sechs in der Gesangspädagogik tätigen Frauen befinden sich drei, die im Lauf ihrer Tätigkeit eine Meisterklasse unterhalten.
Von Ernst Tittel wurde der Beginn nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Nationalsozialismus folgendermaßen beschrieben: „…in ungeheizten und unverglasten Lehrzimmern fanden sich müde Studierende ein, um auf mangelhaften Instrumenten von elend bezahlten Lehrern unterrichtet zu werden.“ (Tittel 1967, 69) Im Zuge der Entnazifizierung wurden zunächst 59 Lehrende entlassen, eine Reihe von ihnen aber noch im Herbst desselben Jahres wieder eingestellt. Als Kunstakademie wurde die Institution Ende der 1940er Jahre den wissenschaftlichen Hochschulen gleichgestellt. Und schließlich fand im Jahr 1965 die Gründung der Abteilung Film und Fernsehen statt.
Lynne Hellers Vermutung zufolge dürften es vor allem persönliche Ressentiments gewesen sein, die darüber bestimmten, wer nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Ende des NS-Regimes entnazifiziert wurde und wer bleiben durfte. Dabei verdient besondere Beachtung, dass negative Bescheide, die mit den positiven im Grunde inhaltlich ident waren, lediglich an zwei weibliche im Nebenfach lehrende Personen ergingen. (Heller 1994, 1008) Von insgesamt 25 Anträgen waren 23 positiv behandelt worden. Nur jene von Minka Schwartz und Hilde Seidlhofer-Suchanek wurden von der Sonderkommission abgelehnt.
Die Zahlen der Studierenden entwickelten sich in den Jahren 1945-1955/56 folgendermaßen:
Grafik: Entwicklung der Studierendenzahlen an der Akademie für Musik und darstellende Kunst 1945-1955/56 (Datenerhebung: Erwin Strouhal, Archiv der mdw). Die Balken sind gestapelt angeordnet, damit für ein Studienjahr die Gesamtanzahl der Studierenden durch Addierung von Frauen- und Männerzahlen erschlossen werden kann.
Bezeichnenderweise ist nach einem Tiefstand von 36,2% männlicher Studierender im Sommersemester 1945 rasch ein Ansteigen zu verzeichnen und zwar so intensiv, dass sie bereits im Studienjahr 1948/49 die weiblichen Studierenden übertrafen und im Studienjahr 1951/52 bei knapp 60% lagen. Um die weitere Entwicklung vorwegzunehmen: In den nächsten Jahren findet sich ein eher ausgeglichenes Bild mit einem leichten Überhang weiblicher Studierender zwischen 50 und 53%, bis sich im Jahr 1955/56 die Waagschale in die andere Richtung bewegt und nun die weiblichen die männlichen Studierenden knapp überwiegen. Dieser Trend hält bis zum Wintersemester 1989 an. Von der politischen bzw. gesellschaftspolitischen Situation wird also nach dem Zweiten Weltkrieg ein Aufholbedarf an Ausbildung von Seiten der Männer in diesen Zahlen sichtbar sowie eine gesellschafts-/ geschlechterpolitisch restaurative Wirkung, die der Austrofaschismus wie der Nationalsozialismus befördert hatte.
Erst ab dem Ende der 1980er Jahre zeigen die Zahlen bei den weiblichen Studierenden eine deutliche Tendenz, die 60%-Marke zu erreichen, was schließlich im WS 1998/99 der Fall ist. Im neuen Jahrhundert pendelten sich die Zahlen dann etwas unter dieser Marke ein.
In diesem Abschnitt möchte ich jedoch speziell noch diejenigen Lehrerinnen bzw. Professorinnen kurz nennen, die unmittelbar nach Ende des Nationalsozialismus an die Akademie kamen.
Hanna Berger (1945-1952), Isolde Ahlgrimm (1945-1984), Helene Benesch (1945-1954), Elisabeth Martha Leopoldine Francisca Markus (1945-1946) und Irene Schneidmann (1945-1951).
Die weitere Entwicklung der Institution sowie der Lehrenden kann in diesem Kontext bislang nur mehr kurz Erwähnung finden. Ab 1970 Hochschule für Musik und darstellende Kunst, ab 1998 Universität, wurde der im Jahr 1952 etablierte Sonderlehrgang für Filmgestaltung und die ab 1960 geführte Filmklasse zur neu gegründeten Abteilung Film und Fernsehen zusammengefasst. Seit 1998 ist die Abteilung als Filmakademie Wien bekannt. (vgl. https://www.mdw.ac.at/405/)
Bei den von Ernst Tittel im Zeitraum zwischen 1817 und 1967, also der ersten 150 Jahre der Anstalt aufgelisteten 1241 Lehrpersonen, handelt es sich um 216 Frauen, d.h. 17,4%. Im Jahr 2009 handelt es sich bei einer Gesamtzahl von 817 Lehrenden um 485 männliche und 332 weibliche, d.h. 40,6%, (mdw Handbuch 2009) entsprechend den gesellschaftlichen Entwicklungen sowie der Ausweitung der Institution zunehmend in den unterschiedlichsten Lehr- und Fachbereichen. Nehmen wir die Jahre 1946-2005 noch einmal näher in den Blick sind jedoch Gesang und Klavier sowie der Tanz bzw. Rhythmik die Bereiche geblieben, in denen Frauen vermehrt die Möglichkeit zu lehren hatten, auch Sprechunterricht und Sprachkultur sind immer wieder vertreten. Erst zu Beginn der 1950er Jahre kommt auch die Violine, die Viola da Gamba, das Violoncello in das Repertoire, das von Frauen vertreten wurde, im Bereich des Schauspiels ist es ab Mitte der 1950er Jahre das Fach Rollengestaltung. Frauen sind auch in den unterschiedlichsten Fächern im Bereich Korrepetition tätig. Einen beachtlichen Teil der in dieser Zeit Lehrenden finden sich im Fachbereich der Musikpädagogik, einen weiteren in dem der Musiktherapie. Damit werden klare Muster in Bezug auf die Durchlässigkeit der Fächer erkennbar, die es Frauen erlaubt|e, ihr Können und Wissen, ihre Expertise und Exzellenz zu entfalten und in die höhere Bildung einzubringen. Diese Muster weisen zwar darauf hin, in welchen Gebieten Frauen Leistungen vollbringen, aber sie verweisen auch auf die nach wie vor androzentrischen Strukturen von Bildungs- und Kultureinrichtungen. Dies ist vor allem in den Richtungen Musikleitung und Komposition der Fall. Bezeichnend erscheint, dass Frauen in jüngeren Kunstrichtungen wie der Abteilung für Film und Fernsehen ab den 1960er Jahren, Musiksoziologie ab dem Ende der 1960er Jahre, Kulturmanagement ab Mitte der 1970er Jahre immer wieder vertreten waren, was darauf hindeutet, dass hier vergleichsweise tendenziell weniger traditionsorientierte geistige Strukturen in die Haltung der Institute eingeschrieben sind. (detaillierte Studien stellen hier noch ein Desiderat dar.)
Auch auf Seite der Studierenden wäre eine weitere Differenzierung für ein tieferes Verständnis wünschenswert. Es wäre interessant zu erfahren, aus welchen sozialen Milieus und Kulturen die Studierenden kommen, mit welcher sexuellen Orientierung, in welchem Alter etc., um die Kategorien anzusprechen, die in den Kulturwissenschaften und Gender Studies als relevant dafür angesehen werden, der Komplexität, in der wir uns befinden, annähernd angemessen beschreiben zu können. So wirft es, um einen ersten Eindruck von der Differenziertheit zu vermitteln und weitere Forschungen dahingehend anzuregen, noch einmal ein anderes Licht auf die Zahlen, wenn wir die Vielfalt der Länder berücksichtigen, aus denen die Studierenden kommen. Von den 3098 Studierenden (Studierendenstatistik 2016/17) stammt der Großteil der aus dem Ausland kommenden Studierenden zunächst aus dem EU-Raum (WS 2016/17 insgesamt 833), allen voran aus Deutschland, Ungarn und Italien, zahlenmäßig gefolgt von den asiatischen Ländern – allen voran Japan und Südkorea.
Tabelle: Daten erhoben aus der Studierendenstatistik WS 2018/19 (Quelle: https://online.mdw.ac.at/mdw_online/webnav.ini)
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Jahresberichte 1868-69
Jahresbericht für 1870/71
Jahresbericht des Wiener Konservatoriums der Musikfreunde 1860/61
Jahresbericht der Staatsakademie für Musik 1918/19, 51-58
MDW Handbuch 2009, Personalstand der MDW
Bildnachweis
Abb. 1: Ulrike Widmann „ulrikewidmann2132-rotgruen-II“, www.photo-abstract.de
Abb. 2: Jahresbericht des Wiener Konservatoriums der Musikfreunde 1860/61, Schmutztitel, eingescannt von Andrea Ellmeier 2018
Abb. 3: Jahresbericht des Wiener Konservatoriums der Musikfreunde 1860/61, Seite 3, eingescannt von Andrea Ellmeier 2018
Abb. 4: Jahresbericht des Wiener Konservatoriums der Musikfreunde 1860/61, Seite 4, eingescannt von Andrea Ellmeier 2018
Abb. 5: „Gesangsunterricht“ Ölgemälde des belgischen Malers Antoine Joseph Wiertz (1806-1865) Quelle: Antoine Wiertz [Public domain], via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Singing_Lesson.jpg
Abb. 6: Mathilde Marchesi de Castrone, Adolf Dauthage [Public domain] Quelle: https://es.wikipedia.org/wiki/Mathilde_Marchesi#/media/File:Mathilde_Marchesi-Graumann.jpg
Abb. 7: Adele Köhler, Repro: Albert H. Payne († 1902) [Public domain] Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Adele_Passy-Cornet_AEhrlichS%C3%A4n
Abb. 8: Anna Bochkoltz-Falconi, Repro: Albert H. Payne († 1902) [Public domain] https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Anna_Bochk...
Abb. 9: Töchter von Catulle-Mendès (1888), Pierre-Auguste Renoir (1841-1919) Quelle: [Public domain], via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_Daught...
Abb. 10: Anna Pessiak-Schmerling, Belle Brown und Bessie Brown. Belle Brown Collection, Music Division. Quelle: See page for author [Public domain] https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Anna_Pessi...
Abb. 11: Rosa Czillag, Foto: Peter Geymayer einer Lithographie von Eduard Kaiser 1857 [Public domain]. Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rosa_Csill...
Abb 12: Luise Dustmann-Meyer, Repro: Albert H. Payne († 1902) [Public domain] Quelle: A. Ehrlich (= Albert H. Payne): Berühmte Sängerinnen der Vergangenheit und Gegenwart. Eine Sammlung von 91 Biographien und 90 Porträts. Leipzig 1895 Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File: Luise_Dustmann_AEhrlichS%C3%A4ngerinnen1895.jpg
Abb. 13: Selma Nicklass-Kempler. Frau Professor Selma Nicklass-Kempner mit ihren Schülerinnen, Fotografen Albert Zander und Siegmund Labisch. [Public domain] Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Selma_Nick...
Abb. 14: Rosa Papier-Paumgartner, August Weger [Public domain] Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rosa_Papie...
Abb. 15: Interior (1926) Ölbild von Olga Wisinger-Florian (1844-1926) [Public domain] Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Olga_Wisinger-Florian_-_Interior.jpg
Abb. 16: Amalie Friedrich-Materna, 1882, Napoleon Sarony [Public domain] Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Amalie_Mat...
Abb. 17: Gertrude Foerstel-Links, 1902 [Public domain] Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gertrud_Fo...
Abb. 18: Berta Kiurina, Foto: Georg Fayer, Wien, März 1927 Quelle: ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung (POR) Pb 580.555-F 381, Zitierlink: http://data.onb.ac.at/rec/baa10451434
Doris Ingrisch, Artikel „antiphon“, in: spiel|mach|t|raum. frauen* an der mdw 1817-2017plus, hg. von Andrea Ellmeier, Birgit Huebener und Doris Ingrisch, mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, 2017ff.
URL: https://www.mdw.ac.at/spielmachtraum/artikel/antiphon
| zuletzt bearbeitet: 19.05.19