„Anna Fröhlich (1793-1880), unterrichtete von 1819 bis 1854 Gesang am Wiener Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde – also 35 Jahre lang! Sie war die älteste der damals in Wien weithin bekannten vier Schwestern Fröhlich. Neben Anna waren es Barbara, eine ausgebildete Malerin, Katharina, und Josephine, die in verschiedenen privaten und öffentlichen musikalischen Veranstaltungen als Musikerinnen/Sängerinnen mitwirkten, wenngleich mit unterschiedlicher Prominenz. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildeten die Schwestern Fröhlich einen Mittelpunkt der bürgerlichen Wiener Musikkultur. Ihrer Freundschaft mit Franz Grillparzer und Franz Schubert ist es zu verdanken, dass sie im kulturellen Gedächtnis verankert sind.“ (Ingrisch, Kurzbiografie „Anna Fröhlich“ in: spiel|mach|t|raum. frauen* an der mdw 1817-2017ff. www.mdw.ac.at/spielmachtraum/bio/Anna_Froehlich). Eine davon losgelöste Betrachtung sowie eine Darstellung der eigenständigen Persönlichkeit Anna Fröhlichs ist die Aufgabe heutiger Forschung.
Eine aktuelle Annäherung an die vier Schwestern Fröhlich, vor allem eine biographische Beschäftigung mit Anna Fröhlich, kommt ohne Einbeziehung der „berühmten Männer“ ihres Umfeldes nicht aus. Doch eine gezielt genderspezifische Lesart der Quellen verändert die Bedeutungszuschreibungen und legt ein neues Bild von Anna Fröhlich frei, das sie in einem eigenständigen und – im Rahmen des Möglichen – in einem durchaus von ihr selbst bestimmten künstlerischen und privaten Umfeld zeigt.
Die von Karin Hausen beschriebene, besonders dem Bürgertum zugrunde liegende, ausgeprägte „Polarisierung der ´Geschlechtscharaktere´“ (Hausen 1976), der zufolge die Bestimmung der Frau als Ehefrau und Mutter festgeschrieben wurde und nahezu unverrückbar mit verschiedenen Zuschreibungen und Abhängigkeiten verbunden war, spielte im Leben der Schwestern eine erkennbare Rolle und wurde gleichzeitig von ihnen, insbesondere von Anna Fröhlich durch ihr selbstbestimmtes Lebenskonzept überwunden, indem sie finanzielle und private Unabhängigkeit ohne Verlust von gesellschaftlicher Akzeptanz in Einklang bringen konnte. Die Schwestern waren zweifellos der Erwartungshaltung und dem Druck der Gesellschaft ausgesetzt, trotzdem blieben drei von ihnen unverheiratet und entwickelten so Eigenschaften, die nicht unbedingt den für bürgerliche Frauen gesellschaftlich vorgesehenen weiblichen Rollenbildern entsprachen. Es dürfte die Ausübung der „schönen Künste“ gewesen sein, die das „unerwünschte“ eigenständige Handeln der Frauen quasi legitimierte, sogar hohe gesellschaftliche Akzeptanz bewirkte und letzten Endes Gelderwerb (eigentlich für die bürgerliche Frau nicht vorgesehen) ermöglichte – nämlich im Bereich des Unterrichtens. Die „Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben“ (Hausen, 363-393) traf für die Fröhlichs – nicht zu, vielmehr bildeten Familienleben, Berufung zur Kunst, Beruf, Gelderwerb und Geldgeben (!) sowie Privatheit und Öffentlichkeit einen fließenden Übergang und somit eine grenzenlose Einheit.
Die Schwestern beherrschten die Kunst des Netzwerkens hervorragend und bemühten sich unermüdlich um Kontakte innerhalb und außerhalb des Familienlebens. Als Ausgangspunkt, aber auch Ergebnis dieser Offenheit und Kontaktfreudigkeit kann der enge familiäre Zusammenhalt, aber auch – besonders was Anna Fröhlich betrifft – die kontinuierliche musikalisch-kreative und pädagogische Arbeit gesehen werden, wobei ein beachtliches soziales Engagement nicht zu übersehen ist.
Im folgenden Text soll am Beispiel von Anna Fröhlich das Wechselspiel zwischen Berufung und Beruf mit dem Ziel des Gelderwerbs sowie der Konflikt zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und selbstbestimmtem Frauenleben innerhalb der Musikkultur im Wien des 19. Jahrhunderts aufgezeigt werden. Die jahrzehntelangen musikalischen Aktivitäten Anna Fröhlichs, die sie von Jugend an als Sängerin und Pianistin und mit viel Gespür für die aktuelle Kunst und Kultur ihrer Zeit (Stichwort „Schubert“) zeigen, wurden stets von pädagogischen Tätigkeiten begleitet. Diese setzt sie nach der Beendigung ihres rund 35 Jahre dauernden Dienstverhältnisses als Gesangsprofessorin an der heutigen mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, bis ins hohe Alter fort. Die Lebenszeit Anna Fröhlichs umspannt einen Großteil des 19. Jahrhunderts, darüber hinaus lebte sie bis zur Jahrhundertwende in Belletristik und Trivialliteratur weiter, sodass sie zunächst nicht unbedingt in die Kategorie „vergessene Künstlerin“ einzuordnen ist. Trotzdem blieb sie in der heutigen musikwissenschaftlichen Forschung eine Randfigur im Umfeld von Schubert. Aus den verfügbaren historischen Materialien Daten und Fakten freizulegen sowie auch Interpretationen von bisher gering eingeschätzten Quellen zuzulassen, ermöglichen es, die erste weibliche Persönlichkeit, die am damaligen Konservatorium lehrte und daher als erste Professorin zu bezeichnen ist, in der Gesamtheit ihres musikkulturellen Handelns darzustellen.
Die einzelnen Abschnitte können sowohl in der chronologischen Abfolge als auch einzeln gelesen werden. Unabhängig von einer quellenbasierten Nach-Erzählung des „Lebens und Wirkens“ von Anna Fröhlich wird versucht, einige Aspekte mit einem Seitenblick auf heutige aktuelle Themen zu betonen: Gesangspädagogik (2. Kapitel, Abschnitt „Die Gesangslehrerin“, soziale Kompetenz (3. Kapitel, Abschnitt „Sponsorin“), Beruf und Entlohnung (3. Kapitel, Abschnitt „Erwerbstätigkeit und Gender Pay Gap“).
Anna Fröhlich und ihre drei Schwestern waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als aktive Teilnehmerinnen bei musikalischen Veranstaltungen in verschiedener Häusern Wiens häufig und gern gesehene Gäste. Im jeweiligen musikalischen Geschehen wurden sie vielseitig eingesetzt. Wenngleich die Lebensläufe der Schwestern unterschiedlich sind und nur zwei Schwestern die Musik zum Beruf machten, waren die vier Schwestern Anna (Sopran), Barbara (Mezzosopran), Katharina (Sopran), Josephine (Sopran, später Alt) in den Jahren um 1820 als Sängerinnen aktiv. So scheinen sie beispielsweise bei den Familien Sonnleithner und Kiesewetter auf [Einschub 1: Hauskonzerte bei Kiesewetter], wo jeweils auch Franz Schubert zu Gast war und wo dessen Werke, besonders die Lieder, zur Aufführung kamen. Die Freundschaft mit Schubert sollte das Leben der Schwestern prägen, ebenso die Begegnung mit einem weiteren Salonbesucher, nämlich Franz Grillparzer. Umgekehrt wurden auch Leben und Wirken der beiden Künstler von den Fröhlich-Schwestern beeinflusst. Die erste Begegnung, bei der Grillparzer seine spätere Verlobte Katharina Fröhlich zum ersten Mal erblickte und diesem Moment ein Gedicht „Als sie zuhörend am Klavier saß“ widmete, fand im Zuhause und Salon der Familie Geymüller statt.
Als Sie, zuhörend, am Klavier saß (Franz Grillparzer)
Still saß sie da, die Lieblichste von allen,
Aufhorchend, ohne Tadel, ohne Lob;
Das dunkle Tuch war von der Brust gefallen,
Die, nur vom Kleid bedeckt, sich atmend hob;
Das Haupt gesenkt, den Leib nach vorn gebogen,
Wie von den fliehnden Tönen nachgezogen.
[…]
www.zeno.org/Literatur/M/Grillparzer,+Franz/Gedichte/Als Sie, zuhörend, am Klavier saß
Die Schwestern Fröhlich waren auch selbst Gastgeberinnen für verschiedene Persönlichkeiten des Kultur- und Geistesleben in ihrer Wohnung in der Spiegelgasse 21. Vor allem wenn es um das Zusammenkommen zum Zweck des Musizierens ging, unterhielten die Fröhlichs ein offenes Haus. Es herrschte ein reges und – anders als in adeligen Salons – ungezwungenes Kommen und Gehen. Franz Schubert kam häufig vorbei und brachte seine Musik mit. Der Sänger Giuseppe Siboni, aber auch dessen schwedischer Schüler Isak Albert Berg, der über Vermittlung Josephine Fröhlichs 1827 nach Wien kam, traf im Zuhause der Fröhlichs auf Schubert. Berg inspirierte Schubert dort zur kompositorischen Verarbeitung der von ihm gesungenen schwedischen Volkslied-Melodie, die schließlich im Andante con moto des Klaviertrios Es- Dur (1827) zu hören ist. Als sich 1849 Franz Grillparzer in die Wohnung der Schwestern in der Spiegelgasse 21 einmietete, erweiterte sich die Besucherschar nochmals um die Verehrer und Verehrerinnen des Dichters.
Die Kultur des privaten Musizierens in bürgerlichen Kreisen lag zum Großteil im Wirkungsbereich der bürgerlichen Frauen, die als Initiatorinnen und Organisatorinnen von musikalisch-literarischen Veranstaltungen in Erscheinung treten konnten. Sie erhielten dadurch eine „Bühne“ für eigene Auftritte als Instrumentalistinnen und/oder Sängerinnen, wo auch eigene Kompositionen zur Aufführung gebracht werden konnten. Dies traf etwa für die jüngste der Fröhlich-Schwestern Josephine zu, von der als einzige Kompositionen überliefert sind (Harer 2015). Gleichzeitig bot der musikalisch-literarische Salon auch die Möglichkeit Kontakte zu knüpfen, diese zu pflegen und sich auf verschiedenen Ebenen auszutauschen: Malerei, Literatur, Musik, Diskussionen und natürlich Geselligkeit standen im Vordergrund.
„Sind die Damen zu Hause?“ wird es wohl oft bei den Fröhlich-Schwestern geheißen haben. Eine Besucherin, die Dichterin Marie von Ebner-Eschenbach, berichtet aus ihrer Erinnerung über den Umgang mit den Schwestern Fröhlich und deren Wohnung in der Spiegelgasse – wenngleich die verklärende Note, die die Schriftstellerin vor allem als Verehrerin Franz Grillparzers ausweist, in diesem Text unverkennbar ist.
„Besuche anzumelden war nicht Brauch im Hause Fröhlich. Die vortreffliche Jungfrau Susanne Kirsch, ´der Edelstein´ genannt, Köchin und Pförtnerin, öffnete die Tür und hat mich nie anders begrüßt als mit einem Lächeln, das von einem Ohr zum andern schwebte. Sie deutete freundlich nach rechts, wenn ich fragte: ´Ist der Herr Hofrat –?´ und nach links, wenn ich fragte: ´Sind die Damen zu Hause?´ […] Ein kleines Vorzimmer bildete den Eingang zu ihrem Bereich, in dem eine fast klösterliche Einfachheit herrschte, in dem man sich aber von einem Reichtum umgeben fühlte, den höchste irdische Pracht und Herrlichkeit nicht verleihen können. Man war versetzt in eine Atmosphäre des Wohlwollens, der Güte, des regsten geistigen Lebens und hatte beim Anblick des schlichten Raumes und seiner lieben alten Bewohnerinnen den Eindruck eines nachgedunkelten Gemäldes, in dem das Auge des Verständnisses und der Liebe noch deutlich erkennen konnte, wie hell seine Farbentöne einst gewesen und wie anmutig und hold seine Gestalten. Die drei Schwestern [Anna, Katharina, Josephine] in ihrer übereinfachen Kleidung erschienen mir wie Priesterinnen, denen ich voll Ehrfurcht nahte. Sie sahen ja meinen abgöttisch verehrten Dichter täglich, verkehrten mit ihm, sie sagten: ´Der Grillparzer´, wenn sie von ihm sprachen. Es geschah offen und herzlich, sie wußten ja, daß mein Interesse für jedes Wort und jede Kunde von ihm der tiefsten Bewunderung und Begeisterung entsprang.“ (Ebner-Eschenbach „Meine Erinnerungen an Grillparzer“, in: Ebner-Eschenbach 1915/16)
Die Tatsache, dass die Schwestern Fröhlich mit den berühmten Männern ihrer Zeit im engsten Kontakt standen, gab Anlass für zahlreiche literarische aber auch belletristische Texte, in denen der Fantasie keine Grenzen gesetzt waren. Diese wurde genährt durch zeitgenössische Erzählungen und Erinnerungen. Hinzu kommt: Anna Fröhlich vernichtete ihr Tagebuch, sodass keine Details (Datum, Repertoire der musikalischen Abende) über das Salonleben im Zuhause der Fröhlichs bekannt sind. Es ist unumstritten, dass insbesondere Anna Fröhlich Gast und zugleich aktiv Mitwirkende in verschiedenen bürgerlichen Salons als auch Gastgeberin und Gestalterin musikalischer Abende in ihren eigenen vier Wänden war. Die musikalischen Salons in Wien und nicht zuletzt ihre eigene Wohnung waren für Anna Fröhlich Orte, in denen sie ihr musikalisches Können als Sängerin und Pianistin erproben und weiterentwickeln konnte, wobei die soziale Komponente (Stichwort „Freundschaft“ und „Netzwerke“) einschließlich der vergnüglichen Aspekte nicht zu kurz kamen. Offensichtlich erfreute sich das Haus Fröhlich, gerade weil es ein bürgerliches war und ein ungezwungener Umgang mit den Gästen herrschte, besonderer Beliebtheit, sodass sich Persönlichkeiten wie z.B. Franz Schubert, aber auch der Freundes- und Familienkreis um Raphael Georg Kiesewetter und Leopold Sonnleithner dort besonders wohlfühlten.
Musizieren und Singen bilden den roten Faden in Anna Fröhlichs Lebenslauf, wobei durch das Zusammenleben der musikalisch und künstlerisch gebildeten Schwestern dieser Fokus noch verstärkt wird.
Anna Fröhlich wurde am 19. September 1793 als erste Tochter von Mathias (1756-1843) und Barbara Fröhlich (geb. Mayr, 1764-1841) in Wien geboren. Um 1790 war das Ehepaar Fröhlich von Pottendorf in Niederösterreich nach Wien/Wieden gezogen, wo der Vater in der damaligen Vorstadt als „Weinschlagmacher“ einen Betrieb zur Erhaltung von Weinfässern hatte und es zunächst zu einem Vermögen brachte, das er jedoch in den 1810er Jahren verlor. Im Jahr 1798 wurde Annas Schwester Barbara (gest. 1878) geboren, 1800 Katharina (gest. 1879). Schließlich folgte im Jahre 1803 die jüngste Schwester Josephine (gest. 1878). Als älteste Schwester sollte Anna ihre Geschwister überleben. Sie starb im hohen Alter von 87 Jahren am 11. März 1880.
Nichts Konkretes ist über den Musikunterricht der Mädchen im Hause Fröhlich in Erfahrung zu bringen. Es heißt, dass es die musikliebende Mutter war, die ihre Neigung zu Kunst und Kultur an ihre Töchter weitergab und die Begabungen ihrer Töchter förderte. Anna erhielt ihren ersten Unterricht als Kind vom Chorregenten der Karlskirche Michael Hanss (1767-1825) (Schilling 1840, 69). Außerdem wird der italienische Sänger und Gesangslehrer Giuseppe Siboni (1780-1839), der sich erstmals von 1810-1814 in Wien aufhielt und über viele Jahre mit der Familie freundschaftlich verbunden war, als Gesanglehrer der Schwestern genannt. Ihre ausgezeichneten Klavierkenntnisse verdankte Anna Fröhlich angeblich Johann Nepomuk Hummel, ohne dass jedoch ein regelrechter Unterricht nachgewiesen werden kann. Ab 1811 befand sich die Wohnung der Familie Fröhlich in der Singerstraße 18, ab 1826 wohnte sie in der Spiegelgasse 21 (Blaha 2002, 35-37). Dort lebte zeitweise auch Barbara Fröhlich mit ihrem Ehemann Ferdinand Bogner (Flötist und Lehrer am Konservatorium) und dem gemeinsamen Sohn Wilhelm, der 1826 geboren wurde und bereits 1846 verstarb. Schließlich zog 1849 Franz Grillparzer als „Zimmerherr“, d.h. als Untermieter bei den drei Schwestern Anna, Katharina und Josephine Fröhlich in der Spiegelgasse ein und erhielt durch sie bis zu seinem Tod 1872 eine umsichtige Betreuung, die die Versorgung mit Speisen, den selbstverständlichen geselligen Umgang im Familienverband, aber auch die Erledigung täglicher Haushaltsangelegenheiten einschloss, nicht zu vergessen fallweise die Krankenpflege. Die geplante eheliche Verbindung zwischen Katharina Fröhlich und Franz Grillparzer kam aber nicht zustande, sodass Katharina als „ewige Braut“ etikettiert Tür an Tür mit ihrem Verlobten lebte, was zur damaligen Zeit Spekulationen freien Lauf ließ und beide „durch die Fortdauer des unabgeklärten Verhältnisses bei den Zeitgenossen in ein schiefes Licht“ rückte (Sauer 1895, 246). Tatsache ist, dass sich Grillparzer von der ersten Begegnung an durch Katharinas Persönlichkeit literarisch inspirieren ließ, sie in mehreren seiner Werke verewigte und sie schließlich als Erbin seines Nachlasses einsetzte.
Wie sehr die unverheirateten Schwestern Anna, Katharina und Josephine dem öffentlichen Druck und Gerede ausgesetzt waren, geht aus der folgenden Textpassage aus dem Jahr 1895 hervor:
„Die schönen Mädchen waren von Bewerbern umringt. Auch Anna und Josephine machten ihre Herzenskämpfe durch, und es gab eine Zeit, wo jede ihren erklärten (oder eben nicht erklärten) Bräutigam hatte. An Zudringlichkeiten mochte es nicht fehlen. Und wie leicht konnte Manches mißdeutet werden.“ (Sauer 1895, 246)
Da Anna Fröhlich und ihre jüngste Schwester Josephine – aus welchen Gründen immer – unverheiratet blieben, waren sie auf den eigenen Gelderwerb angewiesen, während Katharina verlobt war und deshalb eine zukünftige Versorgung im Raum stand. Letztlich verdienten Anna und Josephine nicht so sehr als aktiv auftretende Sängerinnen, sondern mit dem Unterrichten ihre eigene Existenzgrundlage – wahrscheinlich auch für Katharina. Anna Fröhlich hatte schon Erfahrung mit Privatschülerinnen gesammelt, bevor sie 1819 die Leitung der dritten Gesangsklasse des im selben Jahr eröffneten Konservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde übernahm. Davor wurde bereits 1817 die Singschule gegründet, wobei die Knaben und Mädchen von Philipp Korner und Josef Frühwald unterrichtet wurden
Anna Fröhlich war schon seit den Gründungsjahren in die Geschicke der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien involviert gewesen. Die Gründungsväter zählten zu ihrem Bekanntenkreis, besonders Leopold Sonnleithner, mit dessen Familie sie zeitlebens in Verbindung blieb. Auch Raphael Georg Kiesewetter kannte Anna Fröhlich durch ihre regelmäßigen Auftritte als Sängerin und Chorleiterin und wusste zum Zeitpunkt ihrer Anstellung am Konservatorium 1819 über ihre künstlerischen Qualitäten und Fähigkeiten Bescheid. [Einschub 1: Hauskonzerte bei Kiesewetter]
In den ersten Jahren seit der Gründung der Gesellschaft der Musikfreunde (1812) hatte Anna Fröhlich sowohl künstlerische wie auch Lehr-Erfahrungen sammeln können. Sie scheint bereits 1814 als „Ausübendes Mitglied“ auf (Blaha 2002, 41; siehe auch Monatbericht 1829), wirkte, wie ihre Schwestern, bei den „Abendunterhaltungen“ der Gesellschaft der Musikfreunde als Sängerin mit und unterstützte die Probenarbeit, wenn es darum ging, die Gesangsstimmen einzustudieren. Die im April 1819 eingerichtete und ihr übertragene dritte Gesangsklasse für Mädchen verstand sich als höchste Ausbildungsstufe, die speziell für die fortgeschrittenen weiblichen Stimmen eröffnet worden war (Hennenberg 2013, 165). Eine der ersten Schülerinnen von Anna Fröhlich war ihre Schwester Josephine, 1819/20 scheint sie in der Liste ihrer Schülerinnen auf. Wiederholt werden die Auftritte von Anna Fröhlichs Schülerinnen in der Tagespresse kommentiert und positiv bewertet, wobei besonders ihre große Kompetenz im Umgang mit den Mädchen resp. jungen Frauen hervorgehoben wird.
Viele Unterrichtsjahre später aber – als sich die Erwartungen an den Gesang, speziell des Operngesangs änderten – passten offensichtlich Anna Fröhlichs Auffassung von Musik und Gesang sowie ihre Unterrichtsmethode nicht mehr in die Zeit. Um 1850 kündigten sich Probleme mit ihrer Stelle an, die schließlich nicht gelöst werden konnten und 1854 zur Beendigung ihrer Anstellung führten. Danach – Anna Fröhlich war bereits über 60 Jahre alt – widmete sie sich weiterhin ihren Schülerinnen, die sie nun privat von zu Hause aus in der Spiegelgasse unterrichtete. Zu dieser Zeit (nach 1849) wohnte dort auch der Dichter Franz Grillparzer, der Ohrenzeuge des Unterrichts und der verschiedensten Gesangsproben wurde. Neben den Schülerinnen erschienen zahlreiche Besucher und Besucherinnen, um den Dichter oder/und die Schwestern aufzusuchen. Dank des Vermächtnisses der Schwestern, kann heute noch deren Wohnung besichtigt werden. Diese hinterließen nämlich ihre privaten Räume als sogenannte „Grillparzer-Wohnung“ der Stadt Wien, wo sie zunächst im Rathaus, heute im Wienmuseum, in einem mehr oder weniger konservierten Denkmal-Zustand bewahrt wird. Wenngleich als „Grillparzer-Wohnung“ geführt, finden sich in diesem Ausstellungsraum seit neuerer Zeit auch einzelne Hinweise auf die bedeutende Rolle der Schwestern im Leben Grillparzers. Indem die Schwestern Fröhlich nach dem Tod Grillparzers den Plan verfolgten, die sog. „Grillparzer-Wohnung“ zu erhalten, schrieben sie sich gewissermaßen gleichzeitig auch selbst in die öffentliche Geschichte des Wiener Kulturlebens des 19. Jahrhunderts ein.
Wir haben keine detaillierten Informationen bei wem, wie lange und wo Anna Fröhlich Musikunterricht erhielt, wie und wo sie ihr Können erwarb, das sie für die Position der ersten Gesangslehrerin am Konservatorium qualifizierte. Definitiv kann nicht von einer Ausbildung zur Sängerin im heutigen Sinn gesprochen werden, schon gar nicht von einer pädagogischen Schulung. Großen Einfluss, nicht nur auf Anna, sondern besonders auf Josephine, dürfte Giuseppe Siboni ausgeübt haben. Er war jener Gesangslehrer, dem Josephine zur weiteren Ausbildung anvertraut wurde, nachdem sie zunächst am Konservatorium als Schülerin ihrer Schwester Anna in Ausbildung gewesen war. Siboni war es, der es Josephine ermöglichte, an der Oper in Kopenhagen Bühnenerfahrung im Opernrepertoire zu sammeln (Harer 2015, Josephine Fröhlich). Die von Josephine angestrebte Karriere als Opernsängerin verlief einige Jahre positiv – während Anna eine solche Laufbahn vermutlich nicht im Sinn gehabt hatte, sondern eher in das Singen für bestimmte Zwecke und Anlässe „hineinwuchs“. Im Liedrepertoire war Anna Fröhlich jedenfalls zu Hause, denn sie scheint bei den musikalischen Veranstaltungen der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien von Anfang an als Sängerin und gelegentlich auch als Pianistin, vorrangig als Liedbegleiterin auf (Pohl 1871). Anna Fröhlich dürfte jedoch nie auf Opernbühnen im Einsatz gewesen sein. Eine Operngesangskarriere konnte ihre Schwester Josephine allerdings auf lange Sicht nicht durchhalten. Nach Opernauftritten in Prag und Mailand, die wenig erfolgreich und auch von Problemen (wie Machtkämpfen und Intrigen) begleitet waren, wurde Josephine von ihren Schwestern und Franz Grillparzer geraten, nach Hause zurückzukehren, wie aus Briefen aus dem Jahr 1830 hervorgeht (Sauer 1905, 377 sowie 381-382). Sie widmete sich in der Folge wie ihre Schwester Anna dem Unterrichten, aber auch als einzige der musikalischen Schwestern dem Komponieren. In der Spiegelgasse wurde es daher manchmal akustisch „eng“, wenn beide Schwestern Gesang oder/und Klavier unterrichteten bzw. spielten. Es kann angenommen werden, dass Josephines Kompositionen im privaten Bereich erklangen (Werke siehe Harer 2015 Josephine Fröhlich).
In einem zeitgenössischen Bericht, der die weiblichen, idealen Eigenschaften hervorkehrt, kann über den Schwestern-Haushalt gelesen werden:
„Sowohl als ausübende Küsterinnen wie als Lehrerinnen gingen diese beiden Schwestern [Anna und Josephine], die älteste und die jüngste, von nun an stets Hand in Hand, und bei der Ordnung, Thätigkeit und Sparsamkeit, die den seltenen Mädchen neben ihrer Künstlernatur in ganz eigenthümlicher Weise innewohnte, gelang es ihrer frischen Kraft und unermüdlichen Ausdauer, ein Vermögen zu erwerben, dessen Rente ihnen nicht nur eine sorgenlose und freie Existenz sicherte, sondern auch nach ihrem Tode zahlreichen Wohltätigkeitszwecken reichliche Summen zuführte.“ (Littrow-Bischoff 1880, 2.)
Mit den Begriffen „Ordnung, Thätigkeit und Sparsamkeit“ – zu ergänzen wäre wohl „Fleiß“ – werden „die“ bürgerlichen Ideale schlechthin angesprochen. Interessanterweise handelt es sich dabei gleichzeitig auch um ideal-typische weibliche Eigenschaften (vgl. Hausen 1976). Es stellt sich jedoch die berechtigte Frage: Wo hatten die Schwestern Fröhlich ihren Umgang mit Geld gelernt? Waren es zunächst die Eltern, die einen sozialen Aufstieg u.a. durch Fleiß und Gelderwerb vorlebten, sich aus eigener Kraft emporarbeiteten und schließlich vom Land in die Stadt zogen? Auch scheint der Vater der Schwestern als „Armenvater“ auf, was bedeutet, dass er die Armenanstalt in Wien durch seine Dienste unterstützte und damit eventuell Vorbild für die soziale „Ader“ seiner Tochter Anna war. In einem weiteren Kontext ist es im Sinne einer kritischen Frauen- und Geschlechtergeschichte auch notwendig, die Frage zu stellen, ob es Indizien dafür geben könnte, dass die beiden erwerbstätigen Schwestern – Anna und Josephine Fröhlich – vielleicht gar keine Verheiratung anstrebten. Einerseits hatte auch die Mutter der Schwestern ihren Mann (zumindest zeitweise) verlassen und damit einen damals unüblichen Schritt gewagt, andererseits sahen sich bürgerliche Frauen des 19. Jahrhunderts doch vielfach aufgefordert, in der Ehe auf den eigenen Beruf, den eigenen Gelderwerb analog zur „Polarisierung der ‚Geschlechtercharaktere‘“ (Hausen 1976) zu verzichten. Im Falle von Anna und Josephine gab es eine Zeitlang Verehrer aus dem musikalischen Umfeld der Schwestern, die ernstzunehmende Kandidaten für eine Verehelichung waren. Denn der Druck als verheiratete Frau die damit verbundene und anzustrebende gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen war extrem hoch, genauso wie die Aussicht auf eine finanziell gesicherte Zukunft verlockend war. Diese Gedankenwelt war – wie in Quellen nachzulesen ist – für die Schwestern Fröhlich sehr wohl ein Thema.
Am 1. und 29. Oktober 1824 schreibt Josephine von Kopenhagen aus an ihre Schwestern, wobei zwischen den Zeilen ihre Einstellung zur Ehe bzw. Ehelosigkeit herauszulesen ist: „Siboni frägt mich immer, wann ich einen Brief bekomme, ob Betty und Katti schon verheuratet sind; da schäme ich mich immer.“ (zitiert nach Sauer 1905, S. 236)
Einige Tage später heißt es:
„Kömmt erst einer zu mir, der mir gefällt, so werde ich sprechen: Ich liebe Sie, doch Liebschaften hasse ich, weil sie zu nichts führen und immer das Mädchen um ihren guten Ruf und Ruhe bringen; haben Sie ernstliche Absichten, so sprechen Sie mit meine [sic] Aeltern, und wenn diese nichts dagegen haben, bin ich entschloßen, Ihnen meine Hand zu reichen. Ich hoffe, Katti wird klüger sein und sich daher auf Sprachen recht verlegen und Studieren; das ist das größte Vermögen eines Mädchens WISSENSCHAFTEN: Um Geld kann man kommen, aber um Wissenschaften nicht, das ist ein sicheres Kapital.“ (Zitiert nach Sauer 1905, 237-238)
Und zwei Jahre später, 1826, schreibt Josephine Fröhlich aus Prag:
„die Katti schreibt jetzt noch an ihren Herzensgepapel [Grillparzer]; wie bin ich froh, daß ich keinen Schlantander zurückgelassen habe, den ich wie natürlich mit einigen Süßigkeiten erfreuen müßte“ (28. Mai 1826 abends, Zitiert nach Sauer 1905, 295).
Die Gerüchte um angeblich bevorstehende Hochzeiten der Schwestern hielten an. Aus Venedig schreibt Josephine Fröhlich am 15. Juni 1829:
„Daß es heißen soll, ich heirate Berth., ist deto nicht wahr, aber daß man meiner Traurigkeit diesen Grund anführt – gebt ach: ich sei versprochen in Wien und mit wem ...[sic] mit Grillparzer; es ist doch prächtig, dieser Schnick-Schnack der Leute.“ (Zitiert nach Sauer 1905, S. 359)
Um 1830 änderte sich die Situation für Josephine Fröhlich. Obwohl die Quellen nur über Umwege Informationen preisgeben, scheint es so – wie im Folgenden gezeigt wird – dass Moritz Sonnleithner und Ferdinand Walcher jeweils mit Josephine und Anna Fröhlich – zumindest eine Zeitlang – ernstzunehmende Verehrer waren oder nach außen hin als Kandidaten für die Verehelichung wahrgenommen wurden. Dies geht wiederum aus Briefen hervor. Während Josephine 1830 in Begleitung ihrer Schwester Katharina in Italien (Mailand) war, berichtete Moritz Sonnleithner brieflich an die Schwestern in der Ferne und teilt minutiös die Tagesereignisse in Wien mit: Die Schwestern in Mailand erfahren so von den täglichen Theaterbesuchen und den Gästen in ihrem Wiener Zuhause. In einem seiner Briefe, datiert 4. Dezember 1830, spricht Moritz die Beziehung zw. Anna und Ferdinand Walcher an: „Ich bedaure Netti; und wäre es auch nur deßwegen, daß sie allen eigenen Willen verloren hat; denn sie läßt sich jetzt noch weit mehr leiten als vormahls.“ (Zitiert nach Blaha 2002, 46). Sollte dieser Verlust des eigenen Willens etwa der Grund gewesen sein, warum Anna Fröhlich letztlich nicht heiratete? Wollte sie schließlich doch eigenständig und unabhängig bleiben, wie sie es gewohnt war? Bei Josephine Fröhlich verhielt es sich anders. Moritz Sonnleithner (geb. 1805), der nicht nur als Sänger – er war ebenso „ausübendes Mitglied“ der Gesellschaft der Musikfreunde – sondern auch als Erzieher von Barbara Bogners Sohn Wilhelm (1826-1848) bei Fröhlichs verkehrte, starb bereits 1836. (Sauer 1894, 85, Blaha 2002, 146, Harer 2015, Barbara Fröhlich).
Die Beziehung zwischen Katharina und Grillparzer war von Anfang an problematisch und auf Katharinas Seite wurden immer wieder Enttäuschungen über Verhaltensweisen Grillparzers verbucht. Hinzu kam, dass auch andere Verehrer sich um Katharina bemühten, was nicht unbemerkt blieb und wieder Gerüchte in Gang setzte. (Briefe von Katharina an ihre Schwestern im Dezember 1830, Sauer 1805, 367-369) Schon damals, also z.B. im Jänner 1831, dachte Katharina daran finanziell unabhängig zu sein und sich als Hausmädchen anstellen zu lassen (Briefe in dieser Zeit, Sauer 1905, 376). Dies dürfte sie jedoch nicht umgesetzt haben, sodass letztlich Anna Fröhlich als einzige im Schwesternhaushalt eine berufliche Anstellung innehatte und ein gesichertes Einkommen bezog.
Mit dem Unterrichten verdiente Anna Fröhlich den Lebensunterhalt für den Schwesternhaushalt, erst nach der Rückkehr ihrer Schwester Josephine aus Dänemark und dem Ende des Opernengagements in Mailand im Jahr 1830 wurde das Familienbudget durch deren Privatschülerinnen – Josephine unterrichtete neben Gesang auch Klavier – aufgebessert.
Anna Fröhlich übte ihren Beruf als Gesangslehrerin am Konservatorium von 1819 bis 1854 aus. Trotz der langjährigen Lehrtätigkeit oder vielleicht gerade deswegen, fand die Anstellung am Konservatorium ein wenig erfreuliches Ende und erfolgte gegen den Willen Anna Fröhlichs. Die Anfangsjahre ihrer Unterrichtstätigkeit waren jedoch von Erfolgen gezeichnet. Und gerade in die Gesangsklassen wurden damals große Hoffnungen gesetzt. Im Juli 1819 schreibt die „Allgemeine Musikalische Zeitung mit besonderer Rücksicht auf den österreichischen Kaiserstaat“:
„Wir haben nun schon die besten Orchester, aber für gute Sänger und Sängerinnen bleibt noch manches zu thun übrig. Möge die Singschule, welche die Gesellschaft unter den Professoren Korner und Frühwald errichtet hat, wobey Fräul. Nanette Fröhlich (eine treffliche Sängerinn, voll musikalischer Kenntnisse), zur Ausbildung der Schülerinnen sowohl, als des andern Gesang-Personals verwendet wird […].“ (Blicke auf die Gesellschaft der Musikfreunde 1819)
Ist es Zufall, dass hier von den „Professoren“ und dem „Fräulein“ die Rede ist. Offensichtlich existierte in der damaligen Wortwahl die weibliche Bezeichnung „Professorin“ nicht, denn vergeblich sucht man in den Quellen in Verbindung mit Anna Fröhlich diese Titulierung.
Bei der Eröffnung der unter Anna Fröhlichs Leitung stehenden dritten Gesangsklasse für Mädchen im Frühjahr 1819 wurde von Anfang an die Ausbildung der fortgeschrittenen Schülerinnen ins Auge gefasst. Offensichtlich wurden ab 1819 grundsätzlich zwei Ziele mit der Gesangsausbildung verfolgt: zunächst die Förderung des jugendlichen, sängerischen Nachwuchses im Allgemeinen sowie eine gesangliche Grundausbildung, dann die Profilierung von Gesangskräften für die von der Gesellschaft der Musikfreunde geplanten musikalischen Aufführungen mit Sängern und Sängerinnen. Anna Fröhlich, die bereits mehrere Jahre sowohl Auftritts- als auch Unterrichtserfahrung mitbrachte, schien geeignet, diese beiden Ziele zu erreichen. Und dies obwohl sie weder eine nachweisbare Gesangsausbildung noch Auftritte auf Opernbühnen vorzuweisen hatte.
Vielmehr galt ihre Aufmerksamkeit dem Liedgesang – besonders den damals neuen Liedern Franz Schuberts. Gleichzeitig ist Anna Fröhlichs Vorliebe für den mehrstimmigen Gesang erkennbar. Wie es offensichtlich ihrer Erfahrung mit Frauenstimmen entgegenkam, interessierte sie sich besonders für mehrstimmige Werke für weibliche Stimmen. Dies deutet darauf hin, dass Anna Fröhlich diese Musik speziell für ihre Schülerinnen und möglicherweise zu pädagogischen Zwecken im Auge hatte. Das gemeinsame Singen war auch fester Bestandteil der „Zöglings- und Prüfungskonzerte“. Wenige Monate nach ihrer Anstellung im Konservatorium erscheint ein Bericht, der die Erwartungen an ihren Unterricht und zugleich die ersten hörbaren Erfolge ihrer Unterrichtsmethode [Einschub 2] beschreibt:
„Die Mädchen und Knaben trugen wechselweise vierstimmige Gesänge, und in den Zwischenräumen die Schülerinnen der dritten Klasse unter der Leitung ihrer Lehrerinn, Anna Fröhlich, Arien und Solo´s mit bewundernswürdiger Fertigkeit vor. Mit großer Zufriedenheit erkannten die Zuhörer, daß bei diesem Unterricht auch auf Haltung der Stimme, auf den so lang vernachlässigten Triller, kurz darauf gesehen wurde, den wahrhaft schönen, edlen Gesang der alten Schule wieder herzustellen, und es ist zu hoffen, daß aus dieser Schule eben so Meister hervorgehen werden wie aus den italienischen Conservatorien. Die Zahl der Schüler beträgt jetzt 65 Köpfe, welche die Singlehrer Körner und Frühwald und Dlle Fröhlich unterrichten; vor kurzem ist die Violinschule unter Pfr. Böhm mit 15 Schülern eröffnet worden.“ (Bericht über öffentliche Prüfung der Zöglinge 1819, 1620)
Trotz der Erfolge kam es im Laufe der langjährigen Lehrtätigkeit Anna Fröhlichs zu verschiedenen Problemen, die sozialhistorischer Natur waren und auch mit dem Wandel des Musiklebens zu tun hatten. Auch Kritik an ihren Schülerinnen blieb nicht aus.
Nach den Unruhen rund um das Revolutionsjahr 1848, als das Konservatorium geschlossen werden musste, unterrichtete Anna Fröhlich, wie im übrigen auch andere Lehrende des Konservatoriums, ihre Schülerinnen unentgeltlich, wie von der Leitung des Konservatoriums vorgeschlagen, zunächst bei sich Zuhause (Sauer 1924, 259-260). Bei der Wiedereröffnung des Konservatoriums 1851 wurde Anna Fröhlichs Stelle auf drei Jahre befristet. Bereits nach dem ersten Jahr erhielten ihre Schülerinnen nicht mehr die gewohnte Anerkennung, wie in Kritiken nachzulesen ist (Sauer 1924, 260-261). Generell wurde damals der Zustand der Gesangskunst in Wien und damit verbunden auch die Arbeit des Konservatoriums negativ beschrieben. Es werden im folgenden Textausschnitt von 1853 keine Namen genannt, aber die Kritik trifft gerade den Gesangsunterricht mit voller Härte (Hervorhebungen original):
„Als entschieden ungenügend hat sich neuerdings der Unterricht im Sologesang erwiesen, und wir können nicht umhin, die Aufmerksamkeit der Direction auf diesen Zweig der musikalischen Bildung hinzulenken, für dessen bessere Pflege nothwendigerweise etwas Durchgreifendes gethan werden muß. Hauptsächlich macht es der Umstand, daß unsere Oper nur mehr wenig gute Sänger und keine Schule, um neue zu bilden, besitzt, dem Wiener Conservatorium zur ganz besondern Pflicht, die Gesangskunst vor gänzlichem Verfalle zu bewahren. Es hat sich bei den schon erwähnten Prüfungen herausgestellt, daß es nicht an gesunden, kräftigen, jugendlich frischen Stimmen fehle, natürliches Talent ist ebenfalls nicht so selten, als Manche es zu glauben scheinen. Es handelt sich aber darum, sowohl der Stimme als dem Talente eine natürliche, vernünftige Richtung zu geben, und auf solche Weise die höhere Ausbildung im dramatischen Gesang, wo nicht zu vollenden, doch wenigstens anzubahnen. Dazu bedarf es vor allem guter Gesangslehrer, wie wir sie in Wien jetzt nicht besitzen.“ (Musikverein und Akademie der Tonkunst, in: Recensionen und allgemeine Bemerkungen über Theater und Musik, 2. Band, 1853, 196-234, hier 204-205, Sauer 1924, 261-262)
Von da an sollten sich die Schwierigkeiten für Anna Fröhlich vermehren. Einige befreundete Männer ihres unmittelbaren Umfeldes unterstützten Anna Fröhlich zwar im Verfassen von Briefen und Stellungnahmen, die eine Verbesserung ihrer Situation bewirken sollten, darunter der „Zimmerherr“ der Schwestern Fröhlich, Franz Grillparzer, der wohl als Mitbewohner wie kein anderer in die Probleme am Konservatorium eingeweiht war und sich auch auf vielfältige Weise mit der Gesellschaft der Musikfreunde und dem Konservatorium befasste. Anna Fröhlich wurde unmittelbar mit der Tatsache konfrontiert, dass ihr Gesangsunterricht unzureichend wäre (Sauer 1924, 262). Unvermindert hagelte es zusätzlich Kritiken in der Tagespresse, die freilich nicht nur die Unterrichtstätigkeit von Anna Fröhlich betrafen, sondern auch die der anderen Gesangslehrer, die eher die jungen Stimmen verderben, denn ausbilden würden: „Könnt ihr das verantworten, ihr Stimmtöter männlichen und weiblichen Geschlechts?“ (Leopold Alexander Zellner, in: Ostdeutsche Post 179, 3. August 1854, zitiert nach Sauer 1924, 268). Alle Versuche Anna Fröhlichs die Stelle als Gesangslehrerin aufrechtzuhalten, sollten schließlich fehlschlagen. Obwohl sich das Konservatorium in aller Form und schriftlich bei Anna Fröhlich für ihre Leistungen bedankte, entschloss sich die Leitung die langjährige Gesangslehrerin der dritten Gesangsklasse nach 35 Jahren gegen deren Willen zu pensionieren. Ob die oben angedeuteten – aber nicht näher ausgeführten – Gründe, nämlich der Wandel in der Gesangskultur und die von den damaligen Entscheidungsträgern des Konservatoriums festgestellte mangelhafte Ausbildung der von Fröhlich betreuten Sängerinnen, die einzigen waren oder andere interne Mechanismen in Gang waren – dass eventuell das Alter eine Rolle gespielt haben mochte – lässt sich heute nicht mehr feststellen. (Zur Entlassung allgemein vgl. Sauer 1924, Hennenberg 2013.) Als Nachfolgerin Anna Fröhlichs wurde Mathilde Marchesi, geb. Graumann (1821-1913) angestellt, die zuerst bis 1861, später von 1868 bis 1878 am Wiener Konservatorium unterrichtete.
Die Sängerin Anna Fröhlich war in ihrer Jugend eine gefragte Pianistin, die in verschiedenen musikalischen Zusammenhängen am Klavier saß. Sie begleitete ihre Gesangsschülerinnen – auch bei öffentlichen oder halb-öffentlichen Auftritten, sie leitete Proben vom Klavier aus, sie trat mitunter als Klaviersolistin oder in Kammermusikformationen auf – entweder im privaten Bereich der verschiedenen Wiener Salons oder im Rahmen von Veranstaltungen der Gesellschaft der Musikfreunde, seien es „Prüfungskonzerte“, „Abendunterhaltungen“ oder ähnliches. Wie in dieser Zeit üblich, dürfte Anna Fröhlich sich auch auf das Improvisieren verstanden haben und besonders geschätzt beim spontanen Musizieren und bei den Proben war ihre Fähigkeit sehr gut Vom-Blatt-Spielen zu können. Dazu heißt es in einem zeitgenössischen Kommentar, der sie mit den männlichen Kollegen vergleicht: „Die älteste Schwester [Anna Fröhlich] besitzt eine große Fertigkeit und Präzision auf dem Pianoforte, dabei spielt sie besser und richtiger als mancher Kapellmeister selbst Partituren vom Blatte. Auch singt sie alles Vorgelegte prima vista.“ (Castelli 1824, 128.)
Anna Fröhlichs Klavierspiel umfasste außerdem die Interpretation von Werken verschiedener Zeitgenossen, wohl kaum von Zeitgenossinnen, selbstverständlich war das Spielen der vierhändigen Klavierliteratur, das sie mit verschiedenen Partner_innen in Angriff nahm. Besonders im privaten Kreis nahm das Spielen zu vier Händen eine feste Rolle im Alltag ein. Mit Grillparzer saß Anna Fröhlich angeblich beinahe täglich am Klavier (Lux 1912).
Die Auftritte Anna Fröhlichs als Pianistin im halb-öffentlichen Bereich stehen im Zusammenhang mit den „Abend-Unterhaltungen“ der Gesellschaft der Musikfreunde, bei denen sie in den Jahren um 1820 Solowerke spielte oder in kammermusikalischen Zusammensetzungen den Klavierpart übernahm. Die folgende Liste versteht sich als kleiner Einblick (Harer 2015, Anna Fröhlich).
Es ist anzunehmen, dass Anna Fröhlich bei den Prüfungen des Konservatoriums für die Gesangsschüler_innen die Klavierbegleitung ausführte. Bei den Veranstaltungen im Hause Kiesewetter leitete sie die Chornummern vom Klavier aus. Bei den Aufführungen von Schuberts Liedern begleitete sie verschiedene Sängerinnen und Sänger. So war sie am 30. Januar 1829 und am 5. März 1829 im Einsatz, als Mirjams Siegesgesang D 942 (aus dem Jahr 1828), mit Josephine Fröhlich als Solistin und später mit Ludwig Titze als Solist zur Aufführung kam. Ihr bekanntester Auftritt in der Rolle als Klavierbegleiterin ist wohl die erste Aufführung von Schuberts Erlkönig D 328 im Hause (Ignaz) Sonnleithners am 1. Dezember 1820, wobei der Tenor August Ritter von Gymnich als Solist in Erscheinung trat.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren es im Allgemeinen die bürgerlichen Frauen, die zumeist von den für sie „sorgenden“ Männern abhängig waren. Es waren die Väter, Ehemänner oder auch Brüder, die finanziell für die weiblichen Familienmitglieder aufkamen. Die unverheiratete Anna Fröhlich konnte finanziell unabhängig bleiben und ihren Lebensunterhalt durch ihren Gesangsunterricht verdienen. Dennoch konnte resp. musste sie gelegentlich die Unterstützung der Männer in ihrem unmittelbaren Umfeld einfordern, Leopold Sonnleithner und Franz Grillparzer waren beispielsweise hilfreich in der Kommunikation (Korrespodenz) mit der Konservatoriusleitung (Hennenberg 2013, 381-382). Doch die Beziehung zu diesen männlichen Freunden war in keiner Weise eine einseitige. Franz Schubert und Franz Grillparzer wurden in ihrem täglichen Leben, aber auch in ihrem musikkulturellen Handeln von Anna Fröhlich beeinflusst, d.h. zu künstlerischen Produktionen angeregt.
Grillparzer, der als langjähriger Freund des Hauses Fröhlich und Verlobter von Annas Schwester Katharina ab 1849 in einem separaten Raum in der Wohnung der Schwestern wohnte, profitierte von diesem musikalischen Ambiente, das er zweifellos genoss. Marie von Ebener Eschenbach schreibt:
„Was die Musik ihm bedeutete, weiß jeder, der den ´rhythmischen Zauber´ seiner Verse empfunden hat. […] Die Musik hatte ihn mit den Schwestern Fröhlich zusammengeführt. Durch Anna und Josephine, beide hochgeschätzte Gesangs- und Klavierlehrerinnen, hatte er Schuberts Lieder kennengelernt. Er war ein guter Klavierspieler, phantasierte mit sehr viel Talent. Vor einigen Jahren noch hatte es ihm Vergnügen gemacht, täglich eine Stunde mit Anna zu musizieren. Sie kam zu ihm herüber, und sie spielten vierhändig Symphonien von Haydn, Beethoven, Mozart.“ (Marie von Ebner-Eschenbach, „Meine Erinnerungen an Grillparzer“, in: Ebner-Eschenbach 1915/16.)
Anna Fröhlich zählte zu jenen Sängerinnen in Franz Schuberts Umfeld, die ihn und sein Liedschaffen von Anfang an förderten und auch als Interpretin seiner Werke in Erscheinung trat. Auch gab sie Werke in Auftrag, die für bestimmte Anlässe oder ihre Schülerinnen bestimmt waren. Folgende Vokalstücke komponierte Franz Schubert auf Anregung von Anna Fröhlich. Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die Angaben zu den Aufführungen ausschließlich auf Aufritte von Anna Fröhlichs Schülerinnen im Rahmen von Konzerten oder Prüfungen der Gesellschaft der Musikfreunde bzw. der Singschule des Konservatoriums.
Psalm 23 D 706 (1820), Aufführungen am 30. August 1721 (Konservatoriumsprüfung), im Hause Sonnleithner 9. Juni 1822, am 7. September 1826, am 16. November 1826, am 18. März 1827, 7. und 29. Mai 1828.
Gott in der Natur D 757 (1822), Aufführungen am 8. März 1827 gesungen von 12 Schülerinnen Anna Fröhlichs, im August desselben Jahres, am 28. Februar 1828.
Des Tages Weihe D 763 (1822), für Barbara von Geymüller.
Ständchen [Einschub 3] D 920 / 921 „Zögernd leise“ (1827), Text von Franz Grillparzer, für Anna Fröhlichs Schülerin Louise Gosmar. Von Anna Fröhlichs Schülerinnen und Josephine Fröhlich als Solistin uraufgeführt am 11. August 1827 im privaten Rahmen. Weitere Aufführungen: am 24. Januar 1828 sowie am 26. März 1828 im Rahmen des von Schubert veranstalteten „Privat-Concerts“.
Mirjams Siegesgesang D 942 (1828), Text von Franz Grillparzer, aufgeführt mit Josephine Fröhlich als Solistin am 30. Januar 1829, am 5. März 1829 mit Ludwig Titze als Solist und Anna Fröhlich als Klavierbegleiterin.
Neben der Unterrichtstätigkeit der Schwestern Anna und Josephine Fröhlich war ein wohltätiges Wirken gewissermaßen selbstverständlich, war dies doch eine den bürgerlichen Frauen zugestandene Aktivität, die es Solistinnen wie z.B. Pianistinnen oder Sängerinnen erlaubte, auf dem Konzertpodium öffentlich aufzutreten. Wie häufig – in bürgerlichen Kreisen – üblich, „arbeitete“ auch Anna Fröhlich immer wieder unentgeltlich. Gesondert hervorgehoben sei jedoch in diesem Zusammenhang, dass sie anscheinend im Laufe ihrer langjährigen Anstellung am Konservatorium nicht dieselbe Bezahlung wie ihre männlichen Kollegen erhielt. Mit der Eröffnung der Singschule der Gesellschaft der Musikfreunde wurden Philipp Korner und Josef Frühwald als Gesanglehrer angestellt. Dazu heißt es:
„Beider Gehalt betrug anfangs 600 fl. W. W., der bei Korner am 1. September 1818, und bei Frühwald, der den Elementarunterricht leitete, im Jahre 1823 auf 1000 fl. erhöht wurde. […] Im April 1819 wurde eine dritte Classe für Gesang eröffnet und dafür Anna Fröhlich als Lehrerin angestellt, welche diese Stelle bis zum Jahre 1854 bekleidete. Zahlreiche im Concert und auf dem Theater mit Ehren genannte Sängerinnen sind aus ihrer Classe hervorgegangen. Ihr Gehalt war und blieb 600 fl. W. W.“ (Pohl 1871, 38.)
Auch eine Gehaltsliste aus dem Jahr 1834 zeigt, dass die Lehrerin der dritten Gesangsklasse für Mädchen Anna Fröhlich weniger verdiente als alle ihre männlichen Kollegen der damaligen Zeit, darunter die damaligen Gesangsprofessoren Anton Rösner, Gesang für Knaben, erste und zweite Klasse und Josef Frühwald, Gesang für Mädchen erste und zweite Klasse (Perger 1912, 1. Abteilung, 67).
In der Zeit als das Konservatorium offiziel geschlossen wurde (1848-1851), war der Lehrkörper aufgefordert unentgeltlich weiter zu unterrichten, um den Fortbestand des Konservatoriums nach den Revolutionsjahren zu sichern (Pohl 1871, 24, Hennenberg 2013, 328-334). Anna Fröhlich hielt sich an diese Regelung (Sauer 1924, 260). Es ist auch bekannt, dass sie in einem Ausmaß unterrichtete, das weit über ihre Lehrverpflichtung hinausging (Sauer 1924, 276-277) und – wenn notwendig – ihre Schülerinnen direkt finanziell unterstützte. Auch männliche Zeitgenossen wurden von ihr tatkräftig gefördert, waren es Schüler oder bereits bekannte Persönlichkeiten wie Franz Schubert.
In Zeiten, als es noch wenig soziale Unterstützung oder gar keine staatliche Grundversorgung gab, fällt die soziale Komponente in Anna Fröhlichs kulturellem Handeln besonders auf. Nach Franz Schuberts Tod setzte sie sich für die Errichtung eines Grabmals ein. Sie veranstaltete zwei Konzerte (30. Jänner und 13. Februar 1829), deren Einnahmen zur Hälfte der Finanzierung des Schubert-Grabmals dienen sollten und zur zweiten Hälfte einem anderen, nicht näher genannten, aber von ihr auserwählten, wohltätigen Zweck gewidmet war. (Concert-Anzeige 1829, 156.) Möglicherweise sollten mit dieser Hälfte des Geldes mittellose Schülerinnen unterstützt werden? Von einer direkten finanziellen Unterstützung des musikalischen Nachwuchses wird jedenfalls mehrfach berichtet. So z.B. ist im folgenden Bericht zunächst allgemein über die Schwestern Fröhlich zu lesen, weiter unten ist von einem durch Anna Fröhlichs geförderten jungen Mann die Rede:
„Solcher Erfolg [der Erwerb eines kleinen Vermögens aus eigener Kraft] aber ist um so höher anzuschlagen, als ein schöner Zug von Freigebigkeit und Großmuth durch ihr ganzes Wesen ging; Andere zu erfreuen, Noth zu lindern, Wohlthaten zu spenden, gehörte zu den lebhaftesten Antrieben ihrer edlen Natur, und es wurde ihnen dafür von allen Seiten eine Dankbarkeit entgegengebracht, die in der wärmsten Anhänglichkeit ihren Ausdruck fand. So hatte zum Beispiel Anna durch Veranstaltung von Concerten einen armen jungen Musiker seine Studien ermöglicht, der, zu glücklicher Ausbildung gelangt, seine Erkenntlichkeit wiederholt durch Serenaden, die er zu ihrem Namensfeste veranstaltete, an den Tag zu legen suchte. Große Stücke, wie Beethoven´s Septuor, wurden bei diesen Anlässen zur Aufführung gebracht, die ersten Künstler wirkten mit, und die Straße, in welcher die verehrte Gönnerin wohnte – eine Straße inmitten der Stadt – wurde an solchen Abenden für den Verkehr gesperrt.“ (Littrow-Bischoff 1880, 2.)
In späteren Jahren konnte Anna Fröhlich durch den Verkauf von Schubert-Autographen Gelder sammeln, um damit einen Beitrag zur Errichtung des Grillparzer-Denkmals in Baden zu leisten. Als letzte lebende der vier Schwestern vermachte sie ihr Vermögen per Testament der Schwestern-Fröhlich-Stiftung, die zur Förderung und zum Wohl von „Talenten aus Kunst und Wissenschaft“ bestimmt war (Statuten siehe Blaha 2002, Anhang).
Der Bekanntheitsgrad der vier Schwestern Fröhlich zeigte sich zu ihren Lebzeiten und noch Jahrzehnte nach ihrem Tod in Schriften (Berichten und Belletristik), Bildern (Gemälden, Drucken, Postkarten), Musik, Filmen und in der allgemeinen Kommerzialisierung – heute würden wir von einer Vermarktung mit Merchandising-Produkten sprechen. Die Marke „Fröhlich-Schwestern“ ließ sich wahrlich gut verkaufen.
In den Worten von Zeitgenossinnen – und der Anteil der Beiträge aus weiblicher Hand fällt tatsächlich auf – lässt sich der hohe Bekanntheitsgrad der Schwestern am besten ablesen:
Marie von Ebner Eschenbach:
„Am liebsten fast hörte ich Anna, die älteste der Schwestern, erzählen. Sie redete gescheit, gut und gern, ohne eine Spur von Geschwätzigkeit, so recht aus der Fülle lebendiger Erinnerungen wie ein Reicher, der viel gibt und noch mehr zu geben hätte. Irgend etwas zu beschönigen fiel ihr nicht ein, ebensowenig aber zu tadeln; sie sprach von den vielen Wunderlichkeiten des Dichters beinah so liebevoll wie von seinen großen Eigenschaften. […].“ (Ebner-Eschenbach, „Meine Erinnerungen an Grillparzer“, in: Ebner-Eschenbach 1915/16).
Ähnlich wird sie von Marie von Najmájer beschrieben:
„Anna, die älteste Schwester, ehemalige Professorin am Konservatorium, ein kleines, putziges altes Frauchen mit großen schwarzen Augen und einem ungemein lebhaften und intelligenten Gesicht, war damals noch wenig daheim; offenbar gab sie über den Tag auswärts Lektionen. ´Ich bin nur ein Zimmerherr meiner Schwestern´, pflegte sie zu sagen.“ (Najmájer 1904, 142)
Das Bild von Hans Temple aus dem Jahre 1890 entspricht zweifellos nicht der Wirklichkeit, zeigt es doch Ludwig van Beethoven und Franz Schubert gemeinsam mit den Schwestern Fröhlich im musikalischen Salon. Ähnlich verhält es sich mit einem weiteren Bild. Als der Maler Julius Schmid sein Gemälde „Schubert-Abend in einem Wiener Bürgerhaus“ anlässlich der Schubertausstellung 1897 ausführte, hatte er wohl ein aus den Erinnerungen anderer konstruiertes Bild im Sinn, das Persönlichkeiten fiktiv in einem Raum darstellen, sozusagen zusammenstellen sollte, die in genau diesem Arrangement niemals beisammen waren. Festzuhalten ist: Es handelt sich dabei trotzdem um jene – im Jahr 1897 – noch immer bekannten Frauen und Männer, die zu Schuberts Lebzeiten die privaten Salons frequentierten. Obwohl die dargestellten Personengruppen möglicherweise in dieser Zusammensetzung nie gemeinsam musizierten, sind die Namen – insbesondere die der Schwestern Fröhlich – trotzdem repräsentativ für die im Salon aktivsten Personen dieser Zeit. Unter den Frauennamen sind im Gemälde von Schmid die Freundinnen Schuberts zu sehen: neben den Schwestern Fröhlich, die ins Zentrum des Bildes gerückt wurden, noch die Schauspielerin und Sängerin Sophie Müller. Trotz des fiktiven Charakters, lassen diese Bilder für die heutige Betrachtung eine Imagination zu „wie es gewesen sein könnte“ und letztlich ist die Komposition der Bilder ein Beweis dafür, dass die Schwestern Fröhlich noch rund 20 Jahre nach ihrem Tod im Gedächtnis ihrer Nachwelt lebendig geblieben waren.
Quellen (chronologisch)
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[Bericht über öffentliche Prüfung der Zöglinge des Conservatoriums am 8. November 1819] in: Oesterreichischer Beobachter Nr. 330, 26. November 1819, 1620
[Ignaz Franz Castelli 1824], Tagebuch aus Wien (Fortsetzung), in: Dresdner Abend-Zeitung Nr. 32, 6. Februar 1824, 128
Concert-Anzeige, in: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode 19, 12. Februar 1829, 156
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Conservatorium der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates, in: Der Sammler 97, 14. August 1834, 389-390
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Marie von Najmájer 1904, „Bei den Schwestern Fröhlich“, in: Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft 14. 1904, 141-148
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URL:
http://mugi.hfmt-hamburg.de/artikel/Josephine_Fröhlich
Bildnachweis
Abb.1: Anna Fröhlich, Ausschnitt aus: „Die Schwestern Fröhlich“, Titelseite aus: Neue Illustrierte Zeitung Nr. 17, 16. Jänner 1881, Zitierlink: http://anno.onb.ac.at/cgi-content/annoshow?call=niz|18810116|1|100.0|0, ANNO – AustriaN Newspapers Online, ÖNB | Bearbeitung: Martin Breindl
Abb.2: Schubertiade. „Ein Schubert-Abend in einem Wiener Bürgerhause“. Ölgemälde von Julius Schmid, entstanden 1897 anl. Schuberts 100. Geburtstag, Vereinsmuseum des Wiener Männergesang-Vereins, Quelle: [Public domain], via Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Julius_Schmid_Schubertiade.jpg?uselang=de
Abb.3 [Einschub1: Hauskonzerte bei Kiesewetter]: Ausschnitt aus „Dem Verdienste seine Kronen“, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 51, 29. April 1841, 209-210, hier 209. Quelle: https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=uc1.l0066458183;view=1up;seq=231
Abb.4 [Einschub 1: Hauskonzerte bei Kiesewetter]: Ausschnitt aus: Aloys Fuchs, „Notizen über die Privat-Conzerte, älterer Musik für Kirche und Kammer, welche bei Hofrat Raphael Georg Kiesewetter in Wien abgehalten werden, Wien, 21.4.1841“, 2 Bl., Wienbibliothek im Rathaus, Teilnachlass August Schmidt, Handschriften, Folio H.I.N.-177415. (Foto: I. Harer)
Abb.5: Anna Fröhlich, Gemälde von Emanuel Peter 1830, Quelle: ÖNB/Wien Bildarchiv 83.563 - C , Zitierlink: http://data.onb.ac.at/rec/baa14198149
Abb.6: „Die Schwestern Fröhlich“ von l. nach r. Betty, Katharina, Anna. Titelseite in: Neue Illustrierte Zeitung Nr. 17, 16. Jänner 1881, ANNO – AustriaN Newspapers Online, ÖNB, Zitierlink: http://anno.onb.ac.at/cgi-content/annoshow?call=niz|18810116|1|100.0|0
Abb.7: „Pepi
(Josephine) Fröhlich“, Kreidezeichnung von Heinrich Thugut Bonifaz“ in:
Joseph August Lux 1912, Grillparzers Liebesroman, Berlin, 48/49 https://archive.org/details/grillparzerslieb00luxj...
Abb.8: „Netty
(Anna) Fröhlich“, Kreidezeichnung von Heinrich Thugut Bonifaz“ in:
Joseph August Lux 1912, Grillparzers Liebesroman, Berlin, 48/49 https://archive.org/details/grillparzerslieb00luxj...
Abb.9: „Bibliothek. Grillparzers letzte Wohnung (bei den Schwestern Fröhlich) in der Spiegelgasse,“ in: Joseph August Lux 1912, Grillparzers Liebesroman, Berlin, 304/305 https://archive.org/details/grillparzerslieb00luxj...
Abb.10: [Einschub 2: Unterrichtsmethode]: Ausschnitt aus: „Conservatorium derMusikfreunde des österreichischen Kaiserstaates“, in: Der Sammler 97, 14.
August 1834, 389-390, hier 389. https://books.google.at/books?hl=de&id=75FEAAAAcAA
Abb.11: Grillparzer-Wohnung. (Einrichtung der Wohnung Spiegelgasse 21), Quelle: Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Wienbibliothek im Rathaus, Tagblattarchiv: Fotosammlung, TF-003481
Abb.12: Briefumschlag eines Briefes an Anna Fröhlich von Josefine Fröhlich aus Mailand, 12.12.1830, Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung Sign. H.I.N-80821.
Abb.13: „Schubertiade bei Ritter von Spaun“, Holzschnitt von Hans Temple 1890, Mit eigenhändiger Widmung von Amalie Haizinger und eigenhändiger Signatur von Hans Temple, Theatermuseum Wien www.theatermuseum.at/de/object/068452aaf9/
Abb.14: Ausschnitt aus Schubertiade. „Ein Schubert-Abend in einem Wiener Bürgerhause“. Ölgemälde von Julius Schmid, entstanden 1897 anl. Schuberts 100. Geburtstag, Vereinsmuseum des Wiener Männergesang-Vereins, Quelle: [Public domain], via Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Julius_Schmid_Schubertiade.jpg?uselang=de
Ingeborg Harer, Artikel „anna fröhlich (1793-1880) – sängerin, pianistin, erste professorin“, in: spiel|mach|t|raum. frauen* an der mdw 1817-2017plus, hg. von Andrea Ellmeier, Birgit Huebener und Doris Ingrisch, mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, 2017ff.
URL: https://www.mdw.ac.at/spielmachtraum/artikel/anna-froehlich
| zuletzt bearbeitet: 02.08.19